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Der erbitterte »Streit um Heine« ist längst vorüber, doch seine Lyrik wird bis heute unterschätzt: Wiederzuentdecken sind Gedichtzyklen, deren poetische Verfahren weit ins 20. Jahrhundert weisen.Heinrich Heine ist unbestritten einer der wichtigsten und international berühmtesten deutschsprachigen Dichter - und wird doch als moderner Lyriker unterschätzt. Als sein Verdienst gilt, die lyrische Dichtung vom goethezeitlichen Podest geholt und ihre Sprache aktualisiert zu haben, sodass sie Sehgewohnheiten abbilden und einer zeitkritischen Stimme Gehör verschaffen kann. Dieses Buch nimmt eine ganz andere Seite in den Blick, indem es zeigt, wie die Texte durch die Konstruktion eigengesetzlicher Welten schon in den 1820er Jahren Verfahren entwickeln, die die europäische Lyrik bis ins 20. Jahrhundert prägen werden. Die »Nordsee«-Zyklen entwerfen einen Reflexionsraum, der direkt in die Sprachwelten des französischen Symbolismus hätte führen können und der eine Zeitlang Heines Werk als Ganzes leitet, auch die oft mit der Präzision von Prosagedichten gearbeiteten Feuilletons. In der Lyrik findet Heine auch einen Modus, über das Exil als bewussten Abschied aus der Nationalliteratur nachzudenken. Lange hat er die Hoffnung, »Paris« ins Zentrum dieser lyrischen Welt zu stellen: Dafür lässt er die Nordsee bis an die Gare Saint-Lazare rauschen. Mit zunehmend illusionslosem Blick auf das Publikum verliert sich die Idee im Spätwerk - und ist heute wiederzuentdecken.
A propos de l'auteur
Michael Woll, geb. 1985, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er war von 2021bis 2023 mit einem Feodor-Lynen-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an der École Normale Supérieure Paris und zuvor Mitarbeiter im Deutschen Literaturarchiv Marbach.
Monographie: Hofmannsthals »Der Schwierige« und seine Interpreten (2019), Aufsätze u. a. zu Goethe, Kafka, Celan und Gérard de Nerval.
Résumé
Der erbitterte »Streit um Heine« ist längst vorüber, doch seine Lyrik wird bis heute unterschätzt: Wiederzuentdecken sind Gedichtzyklen, deren poetische Verfahren weit ins 20. Jahrhundert weisen.
Heinrich Heine ist unbestritten einer der wichtigsten und international berühmtesten deutschsprachigen Dichter – und wird doch als moderner Lyriker unterschätzt. Als sein Verdienst gilt, die lyrische Dichtung vom goethezeitlichen Podest geholt und ihre Sprache aktualisiert zu haben, sodass sie Sehgewohnheiten abbilden und einer zeitkritischen Stimme Gehör verschaffen kann. Dieses Buch nimmt eine ganz andere Seite in den Blick, indem es zeigt, wie die Texte durch die Konstruktion eigengesetzlicher Welten schon in den 1820er Jahren Verfahren entwickeln, die die europäische Lyrik bis ins 20. Jahrhundert prägen werden. Die »Nordsee«-Zyklen entwerfen einen Reflexionsraum, der direkt in die Sprachwelten des französischen Symbolismus hätte führen können und der eine Zeitlang Heines Werk als Ganzes leitet, auch die oft mit der Präzision von Prosagedichten gearbeiteten Feuilletons. In der Lyrik findet Heine auch einen Modus, über das Exil als bewussten Abschied aus der Nationalliteratur nachzudenken. Lange hat er die Hoffnung, »Paris« ins Zentrum dieser lyrischen Welt zu stellen: Dafür lässt er die Nordsee bis an die Gare Saint-Lazare rauschen. Mit zunehmend illusionslosem Blick auf das Publikum verliert sich die Idee im Spätwerk – und ist heute wiederzuentdecken.