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Teilnehmende Beobachtung"Ein Roman über New Orleans ohne Schwule, das wäre wie ein Buch über Alaska ohne Schnee." (Tony Fennelly, amerikanische Krimi-Autorin, auf die Frage, warum in ihren Büchern stets auch Schwule vorkommen)Was Tony Fennelly hier so gelassen ausspricht, ist keineswegs selbstverständlich. Schwule und Lesben befinden sich, anders als der Schnee in Alaska , nach wie vor in einem Kulturkonflikt mit ihrer heterosexuell geprägten Umgebung. Wie aber nimmt ihre Umgebung diesen Konflikt wahr, mit welchen Augen blicken auch ganz alltägliche Figuren der deutschen Gegenwartsliteratur auf ihre "schwulen Nachbarn"? Aus Anlass unseres 15. Verlagsgeburtstags haben wir zahlreiche Autorinnen und Autoren mit dieser Frage konfrontiert die Antworten fielen ziemlich unterschiedlich aus. Während sich einige der Angesprochenen pauschal als nicht zuständig bezeichneten, andere sich, wohlbegründet, nicht aus anderen Arbeitszusammenhängen herausreißen lassen wollten, sagten immerhin zwanzig spontan zu.Die in unserer Anthologie versammelten Erzählungen führen uns ins Frankfurter Gallusviertel, in eine Buchhandlung auf der Berliner Hasenheide und die skurrile Welt, in der die Heterosexuellen plötzlich in der Minderheit sind und sich mit ihren Frauen nur noch heimlich treffen dürfen. Eine Frau in der ostdeutschen Provinz wird damit konfrontiert, dass ihre Jugendfreundin früher einmal richtig verliebt in sie war und reagiert darauf so kalt, das es den Leser fröstelt. Judith Kuckart und Bodo Kirchhoff führen uns in die Welt der Kindheitserinnerung zurück: Bei Kuckart wird ein kleiner Junge beim Spielen von ein paar Halbstarken als Mädchen verhöhnt. Seine Spielkameradin spürt die Bedrohlichkeit der Situation und rettet ihn auf imponierende Weise. Kirchhoff erzählt auf beklemmende Weise von einer Begegnung im Internat. Niemand wird genau erfahren, was zwischen dem Kantor und dem Jungen dort passiert ist, aber es verfolgt den Jungen sein Leben lang.Mit Beiträgen von Matthias Altenburg, Dorothea Dieckmann, Ursula Fricker, Barbara Frischmuth, Doris Gercke, Gunter Gerlach, Kerstin Hensel, Bodo Kirchhoff, Judith Kuckart, Sabine Peters, Hermann Peter Piwitt, Alexander Piosch, Ingo Schulze, Peter Stamm, Uwe Timm, Tina Uebel, Regula Venske, Michael Weins, Ulrich Woelk, Christine Wunnicke, Feridun Zaimoglu.
Commentaire
"Üblicherweise starrt ja das Kaninchen auf die Schlange, die es verzehren will; gebannt und reglos sitzt es da, aufs Äußerste darum bemüht, nicht aufzufallen. Üblicherweise sind unterlegene Minderheiten damit beschäftigt, der überlegenen Mehrheit aufs Maul zu schauen, und keine falschen Bewegungen zu machen. ... Doch was die Mehrheit - oder zumindest jene, die sie schreibend vertreten - denkt, bleibt weithin unbekannt. ... Was weiss das Kaninchen, was die Schlange denkt? Was weiss die Schlange über das Kaninchen, was weiss die Mehrheit über ihre Minderheiten, was weiss der Hetero über den Schwulen? ... Detlef Grumbach kommt das Verdienst zu, der dösenden Schlange als Erster das Wort erteilt zu haben. ... Jeder der Beiträge lohnt die Lektüre." (Alain Claude Sulzer in "Baseler Zeitung" vom 16. März 2007)