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Die Wahrnehmung unserer Umwelt erfolgt nicht in absoluter, sondern in relativer Weise. Physikalisch identische Reize können in Abhängigkeit von situativen und individuellen Bedingungen unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt werden. Die Reizbeurteilung ist hierbei abhängig vom Reizkontext. Die perzeptiv-kognitiven Verarbeitungprozesse, die den Kontexteffekten zugrundeliegen, sind im einzelnen noch weitgehend unbekannt. Mit dem Reizinformations-Integrationsmodell von Sarris und Zoeke (1985) konnte - basierend auf lerntheoretischen Versuchsparadigmen - bereits eine kontextmodifizierende Funktion der Reizerfahrung nachgewiesen werden. Ziel der vorliegenden Arbeit war eine vertiefende Prozeßanalyse, die insbesonders kontextrelevante Funktionen des visuellen Kurzzeitgedächtnisses einbeziehen sollte. Dabei wurde mit Anstieg der gedächtnisrelevanten Aufgabenschwierigkeit eine korrespondierende Zunahme der Kontextwirkung erwartet.Es wurden vier Experimente durchgeführt, an denen insgesamt 210 ProbandenInnen teilnahmen. Hierbei kam methodenvergleichend ein Diskriminations-Generalisations-Paradigma und eine Matching-to-Sample-Aufgabe zum Einsatz. Bezüglich beider Aufgabentypen wurde eine gedächtnisrelevante Variation zeitdynamisch bedeutsamer Aufgabenmerkmale vorgenommen.Die Variation gedächtnisrelevanter Aufgabenparameter hat bei beiden Aufgabentypen deutliche Effekte bewirkt, die die Annahme einer kontextrelevanten Beteiligung des visuellen Kurzzeitgedächtnisses an den perzeptiv-kognitiven Verarbeitungsprozessen stützen. Die Konzeption eines biopsychologischen Prozeß-Modells am Beispiel der Delayed-Matching-to-Sample-Aufgabe wird als Grundmodell einer Ähnlichkeitsbeurteilung im Rahmen des Ähnlichkeits-Klassifikationsmodells diskutiert. Für den aufgabenvergleichend-prozeßorientierten Ansatz werden abschließend weitere Forschungsperspektiven dargestellt.
Über den Autor / die Autorin
Achim Elfering (44) ist in Deutschland aufgewachsen und hat an der Ludwig Maximilians-Universität Würzburg Psychologie studiert und 1992 mit dem Diplom abgeschlossen. Er wechselte an die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main wo er von 1993 bis 1997 als Hochschulassistent am Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre arbeitete. Während dieser Zeit beschäftigte er sich mit mathematischen Modellen zur Wahrnehmungs- und Urteilrelativität in der Lernforschung. 1997 doktorierte er mit einer Arbeit zum Einfluss des Arbeitsgedächtnisses auf das relative Urteilsverhalten. Im selben Jahr kam er in die Schweiz und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Bern. Seit 1997 ist er massgeblich an Projekten des SNF zu Arbeitsbedingungen und Gesundheit beteiligt. Insbesondere im Bereich des "occupational low back pain" konnte er in interdisziplinären Projekten international anerkannte Forschung betreiben. Für seine Publikationstätigkeit wurde ihm 2001 der SPINE Journal Young Investigator Research Award verliehen. Einigen Gastaufenhalten in den USA folgte die Habilitation an der Universität Bern im Jahr 2005. Seit 2005 arbeitete er in Bern als Assistenzprofessor (tenure track). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Arbeit und Gesundheit, insbesondere Stressforschung, Forschung zur Patientensicherheit, Arbeitszufriedenheit und beruflichen Sozialisation. Seit 2008 ist er Extraordinarius an der Universität Bern.