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Zerrissen zwischen »akuter Verzweiflung« und »natürlichem Vergnügen« arbeitet Virginia Woolf vier Jahre lang an ihrem vorletzten und umfangreichsten Roman 'Die Jahre'. Immer wieder vertraut sie zwischen dem Oktober 1912 und dem April 1936 die Qualen des Schreibens und Umschreibens, aber auch die Augenblicke eines »sehr glücklichen freien Gefühls« ihrem Tagebuch an. Und als das »wunderlichste« ihrer »Abenteuer« bei seinem Erscheinen im März 1937 von der Presse als ein Meisterwerk gefeiert wird und wochenlang an der Spitze der bestgehenden Titel der 'Herald Tribune' steht, notiert sie erleichtert und stolz: »Es wurden 25 000 Exemplare verkauft - bei weitem mein Rekord.«
Dieser Erfolg mag nicht zuletzt auf die bei Virginia Woolf überraschende, auf den ersten Blick fast konventionelle Erzählweise zurückzuführen sein, auf den konkreten chronologischen Handlungsablauf eines Generationsromans zwischen 1880 und den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Das Buch ist, schreibt sie, »natürlich verschieden von den andern: hat, glaube ich, mehr 'wirkliches' Leben in sich...« Dieses 'wirkliche Leben' verkörpert die Londoner Offiziersfamilie Pargiter, bestehend aus den Eltern, Kindern und Enkeln. Zunächst leben sie noch alle zusammen auf dem alten Familienbesitz 'Abercorn', die todkranke Mutter und der Oberst mit seinem schmuddligen Geheimnis von der kleinen Mätresse, die drei Söhne und die vier Töchter. Feste werden gefeiert und Liebschaften geknüpft. Aber die Tage, Wochen und Jahre vergehen und führen unabänderlich jeden seinem eigenen individuellen Schicksal entgegen, führen zu Ehen, Geburt und Tod, zu Glück, Geselligkeit und Einsamkeit. Und doch hat Virginia Woolf, »die Dichterin des fließenden Erlebens, des Bewußtseinsstroms«, die Zeit angehalten durch das Immerwiederkehren gleicher Augenblicke. Erinnerungsschübe verbinden auseinandergerissene Schicksale über mehr als fünfzig Jahre, verknüpfen Gegenwart und Vergangenheit.
Über den Autor / die Autorin
Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 in London geboren und wuchs im großbürgerlichen Milieu des viktorianischen England auf. Der Tod ihrer Mutter 1895 und ihrer älteren Schwester führte zu einer schweren psychischen Krise, deren Schatten sie nie mehr loslassen sollten. 1912 heiratete sie Leonard Woolf. Zusammen gründeten sie 1917 den Verlag The Hogarth Press. Bereits in jungen Jahren bildete sie gemeinsam mit ihrem Bruder den Mittelpunkt der intellektuellen "Bloomsbury Group". Ihr Haus war eines der Zentren der Künstler und Literaten der Bloomsbury Group. Ihre Romane zählen zu den Meilensteinen moderner Literatur. Zugleich war sie eine der einflußreichsten Essayistinnen ihrer Zeit. Aus Furcht, geistig zu umnachten, nahm sie sich am 28. März 1941 nach einem Bombenangriff das Leben.
Klaus Reichert,1938 geboren, ist Literaturwissenschaftler, Autor, Übersetzer und Herausgeber. Von 1964 bis 1968 war er Lektor in den Verlagen Insel und Suhrkamp, von 1975 bis 2003 war er Professor für Anglistik und Amerikanistik an der Frankfurter Universität, 1993 gründete er das "Zentrum zur Erforschung der Frühen Neuzeit". Von 2002 bis 2011 war er Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er schrieb Bücher über Shakespeare, Joyce, moderne Literatur und über die Geschichte und Theorie des Übersetzens, veröffentlichte drei Gedichtbände und ein Wüstentagebuch. Er übersetzte u.a. Shakespeare, Lewis Carroll, Joyce, John Cage und das Hohelied Salomos. 2013 wurde Klaus Reichert mit dem "Wilhelm-Merton-Preis" für europäische Übersetzungen ausgezeichnet.
Brigitte Walitzek, geboren 1952, lebt in Berlin. Seit 1986 Übersetzerin, u. a. von Margaret Atwood, Jeanette Winterson, Carson McCullers, Margaret Forster, Virginia Woolf, Sadie Jones und Peter Behrens.
Zusammenfassung
Zerrissen zwischen »akuter Verzweiflung« und »natürlichem Vergnügen« arbeitet Virginia Woolf vier Jahre lang an ihrem vorletzten und umfangreichsten Roman ›Die Jahre‹. Immer wieder vertraut sie zwischen dem Oktober 1912 und dem April 1936 die Qualen des Schreibens und Umschreibens, aber auch die Augenblicke eines »sehr glücklichen freien Gefühls« ihrem Tagebuch an. Und als das »wunderlichste« ihrer »Abenteuer« bei seinem Erscheinen im März 1937 von der Presse als ein Meisterwerk gefeiert wird und wochenlang an der Spitze der bestgehenden Titel der ›Herald Tribune‹ steht, notiert sie erleichtert und stolz: »Es wurden 25 000 Exemplare verkauft - bei weitem mein Rekord.«
Dieser Erfolg mag nicht zuletzt auf die bei Virginia Woolf überraschende, auf den ersten Blick fast konventionelle Erzählweise zurückzuführen sein, auf den konkreten chronologischen Handlungsablauf eines Generationsromans zwischen 1880 und den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Das Buch ist, schreibt sie, »natürlich verschieden von den andern: hat, glaube ich, mehr ›wirkliches‹ Leben in sich...« Dieses ›wirkliche Leben‹ verkörpert die Londoner Offiziersfamilie Pargiter, bestehend aus den Eltern, Kindern und Enkeln. Zunächst leben sie noch alle zusammen auf dem alten Familienbesitz ›Abercorn‹, die todkranke Mutter und der Oberst mit seinem schmuddligen Geheimnis von der kleinen Mätresse, die drei Söhne und die vier Töchter. Feste werden gefeiert und Liebschaften geknüpft. Aber die Tage, Wochen und Jahre vergehen und führen unabänderlich jeden seinem eigenen individuellen Schicksal entgegen, führen zu Ehen, Geburt und Tod, zu Glück, Geselligkeit und Einsamkeit. Und doch hat Virginia Woolf, »die Dichterin des fließenden Erlebens, des Bewußtseinsstroms«, die Zeit angehalten durch das Immerwiederkehren gleicher Augenblicke. Erinnerungsschübe verbinden auseinandergerissene Schicksale über mehr als fünfzig Jahre, verknüpfen Gegenwart und Vergangenheit.
Bericht
"Diese Buch ist voll der schönsten Poesie des Lebens." (New York Times)