Beschreibung
Produktdetails
| Autoren | Jehona Kicaj |
| Verlag | Wallstein |
| Sprache | Deutsch |
| Produktform | Fester Einband |
| Erschienen | 01.07.2025 |
| EAN | 9783835359499 |
| ISBN | 978-3-8353-5949-9 |
| Seiten | 176 |
| Abmessung | 127 mm x 20 mm x 205 mm |
| Gewicht | 279 g |
| Thema |
Belletristik
> Erzählende Literatur
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Kundenrezensionen
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Schmerzhaft, eindringlich und von großer literarischer Kraft
Ein stilles, sprachmächtiges Buch über Krieg, Flucht, Sprachverlust und die Suche nach Identität. Jehona Kicaj, 1991 im Kosovo geboren und in Göttingen aufgewachsen, studierte Philosophie, Germanistik und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft. Neben wissenschaftlichen Publikationen schreibt sie seit 2020 literarische Texte. Mit "ë", das es völlig zurecht auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2025 geschafft hat, legt sie ihr beeindruckendes Romandebüt vor.
Worum geht’s genau?
Die Erzählerin wächst als Kind kosovarischer Geflüchteter in Deutschland auf. Sie erlebt Kindergarten, Schule und Universität, doch immer wieder stößt sie auf Zuschreibungen, Vorurteile und Ignoranz. Während der Kosovokrieg Ende der 90er-Jahre tobt, erlebt sie ihn aus sicherer Entfernung & doch ist er in der Diaspora allgegenwärtig. Kicaj erzählt von Völkermord, Exil, Migration und Identität, von einer Vergangenheit, die nicht vergeht, weil sie in Körpern, Erinnerungen und Sprache eingeschrieben bleibt. Der Titel „ë“ steht dabei sinnbildlich für ein sprachliches Zeichen, das zwar kaum hörbar ist, aber unverzichtbar, ein Bild für die Suche nach Stimme und Zugehörigkeit.
Meine Meinung
Mit 176 Seiten ist "ë" ein recht schmales Buch, das sich dennoch wie ein Schwergewicht anfühlt. Ich habe aber selten ein Buch gelesen, das so sensible Themen wie Krieg, Flucht, Sprachlosigkeit und die Nachwirkungen von Trauma auf so eindringliche und zugleich leise Weise vermittelt. „Ich habe die Wörter zu lange gefangen gehalten, und jetzt ist es zu spät.“ (S.8). Dieser Satz bringt eines der Kernthemen des Buches – Sprachlosigkeit – auf den Punkt und hat mich von Beginn an mitten hineingezogen in die Zerrissenheit der Protagonistin zwischen Sprachverlust und Sprachsuche.
Kicaj schildert realistisch und eindrücklich ihre Kindheitserfahrungen in der Diaspora in Deutschland: den subtilen Rassismus in Schule und Universität, die Momente der Ausgrenzung, aber auch das Gefühl, zwischen zwei Welten zu leben. „Wenn man mich fragt, woher ich ursprünglich komme, möchte ich antworten: Ich komme aus der Sprachlosigkeit.“ (S.11). Dieser Satz bündelt das ganze Dilemma der Erzählerin & macht klar, dass Identität immer auch ein Ort der Verletzung ist.
Sehr stark wirken auch die kollektiven Erinnerungen, die in die Erzählung fließen: da sind verschwundene Familienmitglieder, traumatisierte Eltern, die Angst, dass die Kinder ihre Kultur vergessen könnten. Für mich persönlich ist "ë" ein bemerkenswertes Debüt, das mit fast minimalistischen Mitteln eine enorme emotionale Wucht entfaltet. Die Sprache ist sachlich, fast nüchtern, nie belehrend, aber immer präzise und eindringlich. Dieser fast dokumentarische Ton macht den Schmerz und die Entwurzelung spürbar. Und dazwischen aber immer auch wieder poetische Momente.
Mich hat das Buch wahnsinnig bewegt. Auch, weil es Themen sichtbar macht, die in Deutschland oft ignoriert werden. Es erzählt nicht nur von einer individuellen Erfahrung, sondern von kollektiver Erinnerung, Verlust und Zugehörigkeit. Aufwachsen in der Diaspora, zwischen Ignoranz, Zuschreibungen und Assimilation, ist hier nicht nur ein biografisches Motiv, sondern ein politisches.
Fazit
"ë" ist ein Roman, der sich lohnt für alle, die Literatur nicht nur als Unterhaltung, sondern auch als Verstehen begreifen. Er ist schmerzhaft, leise und zugleich von großer sprachlicher Schönheit. Für Menschen, die sich für Themen wie Exil, Migration, Identität und Erinnerung interessieren, ist er eine klare Empfehlung. Dieses Buch fordert und hallt lange nach. Herzlichen Dank an NetGalley.de und den Wallstein Verlag für das Rezensionsexemplar.
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