Beschreibung
Produktdetails
Autoren | Arno Frank |
Verlag | Klett-Cotta |
Sprache | Deutsch |
Produktform | Fester Einband |
Erschienen | 15.02.2025 |
EAN | 9783608966480 |
ISBN | 978-3-608-96648-0 |
Seiten | 432 |
Abmessung | 148 mm x 35 mm x 220 mm |
Gewicht | 588 g |
Themen |
Belletristik
> Erzählende Literatur
> Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Liebe, Krieg, Diktatur, Franken, Bezug zu Schwulen, Bezug zu Christen und christlichen Gruppen, Coventry, Familienleben, Städte, Beziehungen, Opfer, Soziale Einstellungen, London, Greater London, Bezug zu Juden und jüdischen Gruppen, Fliegen, entspannen, Politisches System: Totalitarismus und Diktatur, Täter, Lebensentwürfe, Kleinstadt, Demokratische Ideologien: Sozialismus, Mitte-links, Luftangriff, Bezug zu Roma, Kommunal- und Regionalverwaltung, W.G. Sebald, Paris (City), Holocaust-Gedenktage, Periode des Nationalsozialismus (1933 bis 1945), Periode des Zweiten Weltkrieges (ca. 1938 bis ca. 1946) |
Kundenrezensionen
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Ein packendes Porträt
„Ginsterburg“ von Arno Frank ist ein eindringlicher und atmosphärischer Roman, der die komplexen menschlichen Beziehungen und die gesellschaftlichen Umwälzungen in einer kleinen Stadt zwischen 1935 und 1945 beleuchtet. Der Klappentext verspricht eine tiefgründige Erzählung über die Herausforderungen und moralischen Dilemmata, mit denen die Einwohner von Ginsterburg konfrontiert sind, und der Roman hält dieses Versprechen in jeder Hinsicht.
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Lothar erzählt, einem Jungen, dessen Traum vom Fliegen ihn in die Fänge der Hitlerjugend führt. Dies ist nicht nur eine persönliche Tragödie, sondern spiegelt auch die Zerrissenheit der Gesellschaft wider, in der einige profitieren, während andere leiden. Merle, Lothars Mutter, ist ein starkes, emotionales Zentrum des Romans. Ihre Ohnmacht und ihr Misstrauen gegenüber der neuen Ordnung sind greifbar und machen die Leser mit den inneren Konflikten der Charaktere vertraut. Frank gelingt es meisterhaft, die Spannungen zwischen den verschiedenen Figuren darzustellen, sei es in den Gesprächen in Merles Buchhandlung oder den Intrigen der Stadtbewohner, die versuchen, sich in der neuen Machtstruktur zu behaupten.
Der Roman ist nicht nur eine historische Erzählung, sondern auch eine tiefgreifende Reflexion über Liebe, Freundschaft und persönliche Verstrickungen. Die Atmosphäre von Ginsterburg wird lebendig durch Frank's eindringlichen Schreibstil, der sowohl die Schönheit als auch die Dunkelheit dieser Zeit einfängt. Die Ankunft des Krieges wird schleichend spürbar, und die Auswirkungen auf die Beziehungen der Menschen sind herzzerreißend dargestellt.
Insgesamt ist „Ginsterburg“ ein fesselndes Werk, das sowohl die individuelle als auch die kollektive Erfahrung in einer Zeit des Wandels thematisiert, und mir im Großen und Ganzen sehr gut gefallen hat. Arno Frank schafft es, die Leser in die Seelen seiner Charaktere zu ziehen und lässt sie die moralischen Entscheidungen und die Verzweiflung der Menschen in dieser dunklen Ära nachfühlen. Ein absolut empfehlenswerter Roman für alle, die sich für die menschliche Psyche und die Geschichte des 20. Jahrhunderts interessieren. -
Hat meine Erwartungen nicht erfüllt
Nachdem „Seemann vom Siebener“ von Arno Frank eines meiner Lieblingsbücher 2023 war, war ich nun sehr gespannt auf „Ginsterburg“.
Der Roman zeigt das Leben in der fiktiven Kleinstadt Ginsterburg in den Jahren 1935, 1940 und 1945. Hierbei begleitet er die unterschiedlichsten Personen, etwa die Buchhändlerin Merle und deren Sohn Lothar, den Redakteur der Lokalzeitung Eugen, seine Frau Ursel und die Tochter Gesine, den Blumengroßhändler und Bürgermeister Otto, dessen Söhne Bruno und Knut, die Architektin Uta, die mit einem jüdischen Mann verheiratet ist, und einige andere. Reale Personen wie Lothar Sieber und Erich Bachem werden mit rein fiktiven Charakteren vermischt.
Über die Jahre wird deutlich, wie sich jeder auf seine Weise mit dem Regime arrangiert: Die einen suchen sich ihre private Nische, um möglichst unbehelligt durch die Kriegsjahre zu kommen, schaden niemandem aktiv, setzen sich aber auch nicht für andere ein und verschließen die Augen, wollen nichts sehen. Andere machen sich opportunistisch die neue Ordnung zunutze, bereichern sich und steigen auf. Wieder andere werden glühende Anhänger der Nazis und ihrer Ideologie, machen sich schuldig, indem sie etwa das Euthanasieprogramm mit vorantreiben. Hitlerjugend und BDM indoktrinieren die Jugend, die willig in den Krieg zieht.
Die Thematik ist angesichts der momentanen politischen Situation und des Rechtsrucks in der Gesellschaft leider sehr aktuell, und es ist wichtig, darüber zu schreiben. Dennoch konnte mich dieses Buch nicht überzeugen. Zu den Figuren konnte ich nur schwer einen Bezug entwickeln, teilweise wirkten sie sehr künstlich auf mich, und mit dem oft etwas weitschweifigen Schreibstil wurde ich nicht warm. Hinzu kamen kulturhistorische Beschreibungen des fiktiven Ortes Ginsterburg, die mich in ihrer Ausführlichkeit langweilten. Ich hätte stattdessen gerne noch mehr über einige Personen erfahren, die nur ab und an wie kurze Schlaglichter auftauchten, um dann nicht mehr erwähnt zu werden, etwa die Wahrsagerin Zola Vovoni. Auch hadere ich mit dem Schluss, der mir zu vieles offen lässt.
Positiv fand ich, dass Arno Frank sehr anschaulich beschreibt, wie sich jede Figur auf ihre Weise mit dem System arrangiert, und ich konnte mir schon beim Lesen lebhaft vorstellen, wie jede nach dem Krieg versuchen würde, sich nur als Mitläufer darzustellen. Man habe ja nichts gemacht, es waren doch die Umstände, und eigentlich habe man ja auch von nichts gewusst.
Etwas ärgerlich fand ich, dass der Autor in den Details immer wieder offensichtlich ungenau ist. So wird die mehrfach vorkommende römische Ziffer MDCXVII als 1497 gedeutet, obwohl sie das Jahr 1597 bezeichnet. Hitlers Berghof am Obersalzberg wird gar fälschlicherweise bei Garmisch verortet anstatt bei Berchtesgaden. Zudem lässt Arno Frank die aus Augsburg stammende Helga oberbayerisch sprechen, obwohl in Augsburg ein völlig anderer, schwäbischer Dialekt gesprochen wird (ich komme von dort). Das U-Boot U-51 wurde nicht, wie im Roman behauptet, am 23. August 1940 durch ein britisches Flugboot versenkt, sondern am 20. August 1940 durch die Torpedos eines britischen U-Bootes. Der Flugboot-Angriff einige Tage zuvor hatte das U-Boot lediglich stark beschädigt. Das sind natürlich Kleinigkeiten, die mich dennoch misstrauisch machen gegenüber der Sorgfalt des Autors insgesamt.
Da Arno Frank reale Personen wie Lothar Sieber und Erich Bachem in seine fiktive Geschichte einbettet, hätte ich mir zudem ein Nachwort gewünscht, in dem der Autor auf seine Recherchen hierzu eingeht und erläutert, welche Teile der Erzählung auf wahren Begebenheiten beruhen.
Fazit: Ich hatte nach dem „Seemann vom Siebener“ stilistisch und sprachlich etwas anderes erwartet, und konnte mich vor allem mit der Erzählweise in diesem Roman nicht recht anfreunden. Da dies Geschmackssache ist, kann ich mir allerdings sehr gut vorstellen, dass andere „Ginsterburg“ begeistern wird. -
Vom Aufstieg und Fall des "Tausendjährigen Reichs" - Uns allen zur Mahnung
Arno Franks aktueller Roman "Ginsterburg" greift ein hochaktuelles Thema unserer dunkelsten Stunde in unserer jüngeren Geschichte auf.
Franks Roman kommt meiner Meinung nach genau zur richtigen Zeit. Aktuell erhält nationalistisches, faschistisches und rassistisches Gedankengut wieder immensen Auftrieb in unserem schönen Deutschland. Gesellschaftsgruppen werden gegeneinander ausgespielt und vorschnell sind jeweils die (vermeintlich) Schuldigen ausgemacht.
Mit Frank reisen wir zurück ins letzte Jahrhundert und betrachten dabei das fiktive Örtchen Ginsterburg ins all seinen Facetten. Das NS-Regime hat längst die Zügel in der Hand und Frank nimmt uns mit zu den Anfängen des aufblühenden NS-Regimes anno 1935. Im weiteren Zeitstrahl begleiten wir dann die Protagonisten während der Blütezeit anno 1940 und während des Niedergangs im Jahr 1945.
Gerade solche Bücher sind es wert, unsere jüngere unheilvolle Geschichte weiterhin präsent zu halten, damit solche Zeiten nie mehr geschehen mögen.
Gleich zu Beginn holte mich Franks Erzählung komplett ab, als er mich direkt in die Szenerie eines Absturzes eines britischen Lancaster-Bombers hineingeworfen hatte. Diese Szenerie rund um den Briten Alfie, einer aus der Bomber-Crew, taucht dann immer wieder bruchstückhaft während der weiteren Erzählung auf.
Ich hätte damit gerechnet, dass Arno Franks Erzählung komplett fiktiv erzählt wird, allerdings verwebt Frank dann doch real existierende Personen (Lothar Sieber und Erich Bachem) von damals mit dem fiktiven Ort Ginsterburg, ohne dass der Autor darauf speziell in einem dafür geeigneten Nachwort näher darauf eingeht. Genau diese Aufklärung hätte ich persönlich dann doch vorausgesetzt und auch erwartet.
Die Stilistik von Franks Roman ist durchweg geprägt von sehr bildhaften Beschreibungen und eher sanften leisen Tönen. Er arbeitet dabei auch sehr viel mit Metaphern und lässt die damalig menschenverachtende und grausame Zeit auf ganz eigene Art und Weise wiederauferstehen, als ich es mir persönlich vorher ausmalte.
Die Bindung zu den Hauptcharakteren hätte meiner Meinung nach sehr viel enger sein dürfen. Mitunter kam es mir persönlich so vor, dass man auch bei den Haupthandelnden Lothar und Merle dann nicht wirklich die zeitliche Entwicklung gut nachvollziehen konnte. Der Halbwaise Lothar, zunächst abgeneigt von der Hitlerjugend, wird dann über ein Jugendlager zum wahren Fliegerass und Helden des NS-Regimes. Genau diese Entwicklung hätte ich persönlich sehr viel ausführlicher lesen wollen. Gerade seine Mutter Merle war eigentlich alles andere als eine Befürworterin des NS-Regimes und dessen braunen Gedankenguts.
Durch die eher leisen Töne und die sprunghafte Erzählung, ohne die Entwicklung der Charakteren gut nachvollziehen zu können flacht der Roman nach meiner Meinung leider viel zu schnell ab und kann dies auch bis zum dramatischen Finale hin auch nicht mehr aufholen.
Das Thema selbst, wie eine zivilisierte Gesellschaft für die Ideen der damaligen Rattenfänger eigenommen werden konnte und wer welche Rollen darin übernahm, ist unheimlich wichtig, um zu erkennen, dass wirklich jeder ein kleines Zahnrad im damaligen Regime darstellte. Leider und spreche hier wirklich von leider spricht mich persönlich die stilistische Umsetzung von Arno Frank viel zu wenig an. -
Zu kalt
1930 in der fiktiven Kleinstadt Ginsterburg beginnt auch hier die Herrschaft der Nazis. Die Menschen unterschiedlicher Profession und unterschiedlicher Klasse fangen an, sich mehr oder weniger mit den neuen Machtverhältnissen zu arrangieren oder sie auch auszunutzen. Das Buch springt dann in das Jahr 1940 und man sieht, was aus einigen der Menschen geworden ist und wie sich die Verhältnisse geändert haben. Noch krasser im Jahr 1945, mit dem das Buch endet.
Man merkt dem Buch deutlich an, dass der Autor die damaligen und die heutigen Zeiten vergleichen möchte. Der Ansatz ist sehr gut und das Buch ist auch gut lesbar. Der Stil ist interessant. Leider an manchen Stellen für meine Begriffe viel zu ausschweifend. Da werden Örtlichkeiten im Detail beschrieben. Leider trifft das auf die Menschen nicht zu. Und genau das ist meine Kritik an dem Buch. Die Menschen werden manchmal nur kurz vorgestellt, tauchen später ebenfalls nur für Momente oder gar nicht mehr in der Geschichte auf. Und irgendwie findet man zu ihnen keinen gefühlsmäßigen Zugang. Und dies ist mein Problem. Wenn man vor den damaligen Zeiten warnen will und Vergleiche zu heute zieht, muss man definitiv die Menschen über Gefühle erreichen. Das fehlt mir hier leider völlig. Sie kommen mir alle sehr kalt vor und teilweise hatte ich das Gefühl, dass alle irgendwie sehr speziell und gar nicht der Durchschnittbürger sind. Ein weiterer Kritikpunkt für mich ist, dass zwei der Figuren - nämlich Lothar und Erich - reale Personen sind. Darauf bin ich eher zufällig gestoßen und hier vermisse ich, dass im Anhang darauf eingegangen wird. So hat das Buch letztendlich leider meine Erwartungen nicht erfüllt. -
Kriegsverlauf im fiktiven Ginsterburg
Ich war sehr gespannt auf diese Zeitreise, nachdem ich den vielversprechenden Prolog verschlungen habe. Man landet im Städtchen Ginsterburg im Jahr 1935 und lernt sehr viele Charaktere kennen, die ganz unterschiedlich mit der Diktatur der Nazis umgehen. Diese große Bandbreite an Charakteren und Darstellungen verlangt aufmerksames Durchhaltevermögen, um nicht den Durchblick zu verlieren. Mir hat aber gefallen, dass so viele Lebenskonstrukte abgebildet werden, die es möglich machen, sich in die Zeit hineinzuversetzen. Immer mit der Frage im Hinterkopf, wie es soweit kommen konnte und warum Menschen sich dazu entschieden haben. Als Leser habe ich mich distanziert gefühlt. Ich wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne die Entwicklung erleben zu dürfen. Leider kommt es auch zu historischen Ungenauigkeiten, was ich schade fand. Für mich war es aber trotzdem ein lohnenswertes Buch mit einer eindrucksvollen Heftigkeit, die ihren Lauf nimmt. Damit ist es nicht spurlos an mir vorbei gezogen, auch wenn ich mich manchmal schwer getan habe, dieser anspruchsvollen Aneinanderreihung zu folgen.
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