Beschreibung
Produktdetails
Autoren | Tilo Eckardt |
Verlag | Droemer/Knaur |
Sprache | Deutsch |
Produktform | Fester Einband |
Erschienen | 04.11.2024 |
EAN | 9783426560181 |
ISBN | 978-3-426-56018-1 |
Seiten | 304 |
Abmessung | 149 mm x 30 mm x 219 mm |
Gewicht | 509 g |
Serie |
Thomas-Mann-Romane |
Themen |
Belletristik
> Erzählende Literatur
> Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Nationalsozialismus, Deutsche Literatur, Deutschland, Widerstand, Litauen, Kurische Nehrung, Ermittlungen, Übersetzer, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Thomas Mann, Buddenbrooks, Sherlock Holmes, Künstlerkolonie, Zauberberg, historischer Krimi, Innere Emigration, Florian Illies, Michael Köhlmeier, Der Tod in Venedig, eintauchen, Alex Capus, Nidden, Nida, Colm Toibin, besonderer Ermittler, ca. 1930 bis ca. 1939, Betrachtung eines Unpolitischen, Die deutsche Ansprache |
Kundenrezensionen
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Wenig Krimi
"Der Fall Thomas Mann" und das in Verbindung mit dem Stempel "Kriminalroman" hat mich sofort neugierig gemacht und auch der Titel hat so einen leichten literarischen Hauch.
Wenn das Buch als Roman veröffentlicht worden wäre, ohne den Zusatz "Kriminal", dann hätte ich es passender gefunden, denn dem versierten Krimileser oder der Leserin fehlt es hier zwischendurch doch immer wieder an ein wenig Spannung, denn es geht doch recht gemächlich bei der Aufklärung zu.
Und auch Thomas Mann steht nicht so präsent im Mittelpunkt wie es anmutet.
Aber das Buch hat mir insgesamt doch gut gefallen, denn es verbreitet eine für mein Empfinden recht authentische Atmosphäre der Zeit und auch die Sprache wurde gut dem Zeitgeist angepasst. Solche sprachlichen Experimente gefallen mir gut und der Schreibstil ist wirklich gelungen.
Nur halt zu wenig Krimi und zu wenig Mann - aber das ist insgesamt gesehen dann doch wiederum ein Klagen auf hohem Niveau. -
Der Dichter und der Übersetzer
Anlässlich des 150. Geburtstages von Thomas Mann hat der deutsch-schweizerische Autor Tilo Eckardt diesem ein besonderes Denkmal gesetzt. In seinem historischen Kriminalroman "Gefährliche Betrachtungen" lässt er den Literatur-Nobelpreisträger auf eine ganz neue Art lebendig werden.
Wir schreiben das Jahr 1930: Im ostpreußischen Fischerdorf Nidden, einem Kurort auf der Kurischen Nehrung, hat sich der Ich-Erzähler Žydrūnas Miuleris in einer kleinen Pension eingemietet. Der 20-jährige Student und Übersetzer aus Litauen hofft, in Nidden Thomas Mann kennenzulernen, da es sein großer Wunsch ist, dessen Welterfolg "Buddenbrooks" ins Litauische übersetzen zu dürfen. Der Zufall will es, dass der junge Mann sich gerade in der Nähe des Strandkorbs von Thomas Mann befindet, als diesem durch einen Windstoß mehrere Blätter einer politischen Rede, an der er gerade schreibt, davonwehen. Žydrūnas gelingt es, drei Seiten des Manuskripts zu retten und sie dem Eigentümer zurückzubringen. Da er über ein photographisches Gedächtnis verfügt, kann er sich binnen Sekunden den Inhalt der Seiten einprägen. Später fertigt er davon eine Abschrift an.
Der Schriftsteller und der junge Übersetzer, den Thomas Mann nach dem Vorstellen nur noch Müller nennt, weil das die deutsche Version seines litauischen Nachnamens ist, treffen sich am nächsten Tag zu einem Spaziergang wieder, und Žydrūnas muss beichten, dass ihm die Seiten mit dem brisanten Inhalt am Vorabend im Wirtshaus abhanden gekommen sind. Thomas Mann ist verärgert und sorgt sich, dass die Seiten in falsche Hände geraten könnten. Der Dichter und Müller begeben sich auf die Suche ....
Die Geschichte ist in der Sprache der damaligen Zeit und mit viel feinem Humor geschrieben, sie liest sich sehr flüssig. Es hat mir Freude bereitet, die beiden "Ermittler" zu begleiten, deren Suche sich nicht gerade einfach gestaltet. Sie folgen falschen Fährten, und schon bald ergeben sich neue Fragen und Probleme, als eine Person verschwindet und ein Unbefugter sich anscheinend Zutritt zu Thomas Manns Arbeitszimmer verschafft hat.
Die Region ist ganz wunderbar und atmosphärisch beschrieben, ich konnte mir Nidden und seine Umgebung sehr gut vorstellen. Seine Protagonisten hat der Autor sehr treffend skizziert: Thomas Mann mit seinen vielen Eigenarten, den jungen und naiven Žydrūnas, der sich als eher ungeschickter Ermittler entpuppt, aber auch die Pensionswirtin mit ihrer etwas aufdringlichen, dabei aber mütterlichen Art. Ich fand es spannend, einen Einblick in den Ferienalltag der Familie Mann zu erhalten, und mir gefielen die Passagen, in denen der Autor den inzwischen 100-jährigen Žydrūnas zu Wort kommen lässt.
Auch wenn ich die eigentliche Krimihandlung nur mäßig spannend fand, so hat mir das Buch doch sehr gut gefallen. Ich konnte eintauchen in die damalige Zeit, habe die schönen Naturbeschreibungen genossen und mich bestens unterhalten gefühlt!
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Literarische Detektiv-Story mit politischem Hintergrund
In „Gefährliche Betrachtungen“ wird ein Täter gesucht, es werden verschiedene Personen verdächtigt und zum Schluss gibt es sogar einen Todesfall. Trotzdem kann man das Buch nicht mit einem modernen Krimi vergleichen. Eher wie Sherlock Holmes und Dr. Watson fühlen sich Thomas Mann und der junge litauische Übersetzer Miuleris, den Mann zu „Müller“ eindeutscht. „Mein lieber Müller“, spricht Mann dann auch mit der Zigarette in der Hand, bevor er eine Sache erläutert.
Die beiden begegnen sich in der Sommerfrische in der Kurischen Nehrung. Miuleris hat eine besondere Gabe: ein fotografisches Gedächtnis, was mehr oder weniger der Auslöser für die folgenden Vorkommnisse ist. Er schreibt nämlich aus dem Gedächtnis Teile einer politischen Rede Manns nieder und diese Blätter gehen dann verloren – ziemlich brisant in einer Zeit, in der die Nationalsozialisten an Macht gewinnen. Lange ist nicht klar, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt, aber nach und nach decken Mann und Miuleris die Hintergründe der verschwundenen Blätter und weitere Verstrickungen auf.
Erzählt wird das Ganze im Rückblick von einem über 100 Jahre alten Miuleris, also in einem Abstand von mehr als 80 Jahren. Ich habe mich vor allem aufgrund der passenden Sprache und der Landschaftsbeschreibungen in die damalige Zeit und den Ort hineinversetzt gefühlt; das Vermögen, eine solche Atmosphäre zu erzeugen, finde ich in Büchern immer bemerkenswert. Der Hochsommer an der Ostsee, Sand, Dünen, Wind und Wald – Herren in Sommeranzügen, mit Westen und Uhrketten, Tee trinkende Frauen in eleganten Kleidern, herrlich!
Es ergibt dann einen seltsamen Effekt, wenn der Erzähler von „desktop publisher“ spricht, wenn er kurz in die Gegenwart schwenkt. Der Stil gefällt mir überhaupt sehr gut: intelligent und mit subtilem Humor. Man merkt dem Autor seine Lust am Wort und an Sprache an und auch, dass er selbst Zeit an dem Ort verbracht hat, an dem der Roman spielt.
Was mich auch beeindruckt hat, ist die Beschreibung von Thomas Mann, die sich liest, als würde der Autor ihn persönlich kennen. So detailliert geht er auf Mimik, Verhalten und Augenausdruck ein. Und obwohl eingestanden wird, Mann wirke arrogant, macht es doch einen sympathischen Eindruck, wie er Spaß hat am „Detektiv spielen“. Auch weitere Personen sind gut geglückt, insbesondere die neugierige, aber fürsorgliche Pensionswirtin Frau Bryl und ihren Hund Ludwik mochte ich gern.
Die Krimihandlung selbst baut sich eher langsam auf, wird aber durchaus spannend. Als kleines Manko empfand ich die Auflösung bzw. den Höhepunkt der Handlung etwas zu sehr als Räuberpistole. Zentraler war für mich die Beziehung zwischen den Protagonisten.
Das wunderschöne, stimmungsvolle Cover passt hervorragend zu diesem ungewöhnlichen Krimi. Ich habe jetzt nicht nur Lust auf Urlaub, sondern auch darauf, mich doch einmal an einen der großen Romane von Thomas Mann zu wagen. -
Warnung an die Gegenwart
Tilo Eckhardt „ehrt“ mit „Gefährliche Betrachtungen“ Thomas Mann zu dessen nächstem Jahr anstehenden 150. Geburtstag. Ein historischer Kriminalroman noch dazu – klingt interessant … Worum geht’s?
Im Sommer 1930 weilen ein junger litauischer Übersetzer, Žydrūnas Miuleris, und Thomas Mann mit seiner Familie zeitgleich in einem Dorf an der Ostsee. Mann bereitet in seinem Sommerhaus bzw. dem Strandkorb eine Rede vor, um nach dem Ende der Weimarer Republik vor den Nazis zu warnen. Wie es der von Miuleris erhoffte Zufall will, fegt ein Windstoß Manns Notizen weg und er bringt sie Mann zurück. Miuleris, von Mann nur Müller genannt, schreibt die Rede aus dem Gedächtnis auf – doch der „Triumph“ währt nicht lange, da er seine Aufschrift verliert und damit Verwicklungen auslöst. Nun bleibt Müller und Mann nichts anderes, als sich zusammenzutun, um den Text rechtzeitig wiederzufinden, bevor er zum ernsten Problem wird …
Ob „Gefährliche Betrachtungen“ tatsächlich ein historischer Kriminalroman ist, sei dahingestellt. In der Tat gibt es eine Art Krimihandlung, die scheint jedoch eher Vehikel zu sein, um Thomas Mann zu huldigen, ihn in einem fiktiven Licht zum Leben zu erwecken. Denn die Krimihandlung wirkt doch etwas konstruiert und spielt eine eher untergeordnete Rolle. Doch von der korrekten Genrezuordnung abgesehen, ist diese Geschichte eine, der man die Liebe ihres Autors zu seinem Sujet anmerkt: Eckhardt kennt sich aus mit Mann und dank dieser fiktiven Begegnung mit wahren Hintergründen lässt er ein sehr plastisches Bild von Mann erstehen, wie er im Strandkorb sitzt und konzentriert arbeitet, während um ihn herum der Sommerurlaub tobt. Genau das macht auch den Reiz aus, „zuzulesen“, wie der Autor, der quasi gerade erst den Literaturnobelpreis erhalten hatte, gezwungen sein konnte, zu emigrieren. Hätte sich diese Geschichte so zugetragen, verstünde man es. All das präsentiert Eckhardt auf dem Tablett einer bunten Mischung von Figuren: eine bemutternde Pensionswirtin, wortkarge Fischer, teils überspannte Künstler und erzählt aus Miuleris‘ Perspektive, dem Eckhardt einen nicht übertrieben zeitgenössischen Erzählstil gibt. Normalerweise mache ich einen Bogen um Geschichten, bei denen man raten darf oder muss, was Fiktion, was Realität ist, denn das Raten, was wahr ist und was nicht, stellt uns zurzeit vor ausreichend große Herausforderungen … doch vielleicht ist genau das der Grund, weshalb es hier funktioniert: Die Nähe der Ereignisse damals und heute ist frappant und abgesehen von der Hommage an Mann kann man „Gefährliche Betrachtungen“ eben auch als Warnung, wach zu bleiben, lesen.
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