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Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Politik - Politische Theorie und Ideengeschichte, Note: 1,3, Ludwig-Maximilians-Universität München (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft), Veranstaltung: "Kommunalpolitik", Sprache: Deutsch, Abstract: "Der Einwohner Neuenglands fühlt sich mit seiner Gemeinde verbunden, weil sie stark und unabhängig ist; er kümmert sich um sie, weil er zur Lenkung ihrer Geschäfte beiträgt; er liebt sie, weil er sich über sein Los nicht zu beklagen hat; sein Ehrgeiz und seine Zukunft wurzeln in ihr; (...) er lässt sich von ihrem Geist durchdringen, er gewöhnt sich an die Ordnung (...) und endlich eignet er sich klare und praktische Gedanken an über das Wesen seiner Pflichten und über das Maß seiner Rechte." In begeisternden Worten schwärmt Alexis de Tocqueville vom Gemeindegeist der Bürger Neuenglands. Von der französischen Regierung im Jahr 1830 gesandt, das Regierungssystem Amerikas zu untersuchen, entdeckt Tocqueville ein für ihn unbekanntes Wirken kommunaler Demokratie. Angetrieben durch den Geist der Gemeinschaft regeln die Bürger der neuenglischen Kommunen ihre öffentlichen Angelegenheiten gemeinsam und freiwillig. Während in Amerika der antike, zivilgesellschaftliche Gedanke neue Blüten treibt, vollzieht das zentralistische Frankreich eine gegenteilige Entwicklung. In Anbetracht wachsender hauptstädtischer Kompetenzen und der Beseitigung lokaler Selbstregierungsrechte, ziehen sich immer mehr Bürger ins Private zurück. Die Sorge um das jeweils eigene Wohlergehen wird zum dominierenden Primat einer in Bruchstücke zerfallenen Gesellschaft. Auch die politische Situation unserer Tage zeugt von einer zunehmenden Entfremdung zwischen Bürger und Politik. Wie eine Umfrage aus dem Jahr 2003 ergeben hat, sind 68% der Deutschen der Meinung, dass sich die "Politiker nicht viel darum kümmern, was Leute wie ich denken." Paradoxer Weise steht das Misstrauen der Bürger einem in den letzten zehn Jahren tendenziell abnehmenden Interesse an politischen Fragen gegenüber. Vermehrt werden daher Forderungen nach einer starken "Bürgergesellschaft" laut. Den Bürgern solle mehr Verantwortung zugemutet werden. Oftmals dient dabei der Begriff Verantwortung als euphemistische Umschreibung für den Ausfall staatlicher Leistungen, die nun zivilgesellschaftlich getragen werden sollen. Zweifellos zeugen diese Forderungen von einem Missverständnis zivilgesellschaftlicher Verantwortung. Die ideengeschichtliche Entwicklung, aber auch die Bedingungen und Potentiale heutiger "Zivilgesellschaft" verdienen also eingehender Betrachtung. Die durch zunehmende Migration entstehenden sozialen Herausforderungen sollen dabei im Vordergrund stehen.