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»Lebens-Comic« nannte Siegfried Kaden seine gezeichnete Autobiografie, die er Ende 2006, 62-jährig, in seinem Atelier in Havanna innerhalb von drei Wochen in 179 Zeichnungen mit Kugelschreiber zu Papier brachte. Anfang 2007 übertrug er die Zeichnungen in vierwöchiger Arbeit von einem Gerüst aus mit Ölstift an die Westwand der Celda Contemporánea der Universidad del Claustro de Sor Juana in Mexiko-Stadt. "Entre los Padres" betitelte er das Wandbild. Von der seitlichen Wand der großen Zelle schauten sie, der Vater in Wehrmachtsuniform, der Großvater in Zivil, von Kaden nach Porträtfotos an die Wand gemalt, eher teilnahmslos auf das Geschehen. Dem Nachgeborenen hatten sie Schuld und Ratlosigkeit hinterlassen.Das temporäre Wandbild in Mexiko-Stadt wurde vier Wochen nach der Eröffnung übertüncht, die Zeichnungen blieben erhalten. 2020, schwerkrank nach München zurückgekehrt, hat sie der Künstler um viele Blätter ergänzt, vor allem um seine kubanischen Jahre in Havanna, aber auch um den »Feuersturm«, der Dresden, seine Heimatstadt, 1945 zerstörte und ihn am Ende seines Lebens wieder heimsuchte. Das Pferd ist im Werk Kadens, neben anderen Tieren wie Hasen oder Krokodilen, ein immer wiederkehrendes Motiv. Als Kind von einem russischen Soldaten entführt, wurde er im Tausch gegen ein lebendes Pferd gerettet.Kadens zeichnerischer Blick fällt mit ergreifendem Ernst und absurder Komik auf sein Leben. Das Ich nimmt sich zurück und wird zur Comic-Figur, ein nicht alternder Held, dem Zeichenstift des Künstlers gehorchend, durchs Leben taumelnd.
Über den Autor / die Autorin
Siegfried Kaden, geboren 1944 in Dresden, gehörte zu den kreativsten figurativen Künstlern seiner Epoche und unserer Gegenwart. Als Zeichner, Maler, Installationskünstler, Filmer und Lehrer an der Academia Nacional de Bellas Artes San Alejandro, Havanna, war sein Leben eine unruhige Wanderschaft zwischen den Systemen – Nazideutschland, DDR, Fluchterfahrung, Kapitalismus – schließlich bewusste Rückkehr in die Mangelwirtschaft, als er 1995 nach Kuba ging. Auf die Widersprüche fand er in seinem Werk und in weltweiten Ausstellungen schöpferische, oft humorvolle Entgegnungen. Mit der Kunst seiner Zeit und ihren Protagonisten war er eng vernetzt. Zugleich wirkte er als großer Förderer nichtstaatlicher kubanischer Künstler. Er starb 2021 in München.
Zusammenfassung
»Lebens-Comic« nannte Siegfried Kaden seine gezeichnete Autobiografie, die er Ende 2006, 62-jährig, in seinem Atelier in Havanna innerhalb von drei Wochen in 179 Zeichnungen mit Kugelschreiber zu Papier brachte. Anfang 2007 übertrug er die Zeichnungen in vierwöchiger Arbeit von einem Gerüst aus mit Ölstift an die Westwand der Celda Contemporánea der Universidad del Claustro de Sor Juana in Mexiko-Stadt. „Entre los Padres“ betitelte er das Wandbild. Von der seitlichen Wand der großen Zelle schauten sie, der Vater in Wehrmachtsuniform, der Großvater in Zivil, von Kaden nach Porträtfotos an die Wand gemalt, eher teilnahmslos auf das Geschehen. Dem Nachgeborenen hatten sie Schuld und Ratlosigkeit hinterlassen.
Das temporäre Wandbild in Mexiko-Stadt wurde vier Wochen nach der Eröffnung übertüncht, die Zeichnungen blieben erhalten. 2020, schwerkrank nach München zurückgekehrt, hat sie der Künstler um viele Blätter ergänzt, vor allem um seine kubanischen Jahre in Havanna, aber auch um den »Feuersturm«, der Dresden, seine Heimatstadt, 1945 zerstörte und ihn am Ende seines Lebens wieder heimsuchte. Das Pferd ist im Werk Kadens, neben anderen Tieren wie Hasen oder Krokodilen, ein immer wiederkehrendes Motiv. Als Kind von einem russischen Soldaten entführt, wurde er im Tausch gegen ein lebendes Pferd gerettet.
Kadens zeichnerischer Blick fällt mit ergreifendem Ernst und absurder Komik auf sein Leben. Das Ich nimmt sich zurück und wird zur Comic-Figur, ein nicht alternder Held, dem Zeichenstift des Künstlers gehorchend, durchs Leben taumelnd.