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Die Geburt des 'grossen Mannes' geschieht in der Armee und im Krieg - so jedenfalls hat es Edmund Burke 1790 in seinen Reflections on the Revolution in France beschrieben. Der 'grosse Mann' macht dann im 19. Jahrhundert in und mit Hilfe von Medien rasant Karriere, gleichzeitig aber gerät er in seinem Herkunftsgebiet zunehmend in eine Krise.Von den Napoleonischen Kriegen bis zum Ersten Weltkrieg wird die Verehrung der Kriegshelden konterkariert durch Darstellungen und Analysen eines dramatischen Abbaus individueller Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten in der Wirklichkeit der Schlacht und der mit ihr verbundenen Medientechnologien. Dieser Machtverlust wird in der Literatur und den verschiedenen Kriegsdiskursen des 19. Jahrhunderts unabweisbar, und im Ersten Weltkrieg manifestiert sich diese Tendenz in zwei gegenläufigen Momenten: zum einen in der hypertrophen diskursiven Mobilisierung herausragender Individuen, zum andern in einem allgemeinen Bankrott des Helden und der Heldenverehrung, der wiederum produktiv wird für die Etablierung neuer Figuren, Phänomene und Debatten.
Inhaltsverzeichnis
Karl Wagner: EinleitungAufstieg und Fall des Großen MannesMichael Gamper: Der 'große Mann' im KriegPeter Schnyder: Erlösung von der Medialität? 'Held' und 'neuer Mensch' in der Kriegsrhetorik von Simmel und SombartRobert Leucht: Wirtschaftsgeneral und Gesellschaftstechniker. Imaginäre Anführer der Kriegswirtschaft und der Weg zu einer neuen GesellschaftsordnungSonja Osterwalder: Ohne Hilfskonstruktionen. Freuds Abgesang auf den Kulturmenschen nach 1914Helvetische HeroikPeter Utz: Helvetische Heroik im Huber-Verlag: Robert Faesi, Paul Ilg, Robert WalserPaul Keckeis: Füsilier und Schriftsteller. Zu Robert Walsers literarischer MilitärsoziologieThomas Fries: Zwei Schweizer Autoren zum Ersten Weltkrieg: Kriegserfahrung und Schreiben bei Blaise Cendrars und Meinrad InglinIn dieser großen ZeitChristian van der Steeg: Die Verzauberung der Zeit in die Zeitung. Karl Kraus' großer Mann im WeltkriegStephan Baumgartner: Intensitäten des Kriegs. Zu Robert Musil und Ernst JüngerWerner Michler: Kriegsbiologien. Zwischen Natur (von 1859) und Idee (von 1914)Sabine Schneider: Orientierung der Geister im Bergsturz Europas. Hofmannsthals Hermeneutik des KriegsAbgesänge, NeucodierungenUlrich Johannes Beil: Vom Gefreiten zum Diktator. Hysterie, Medialität und Hypnose in Ernst Weiß' Der AugenzeugeClemens Özelt: Genie und physikalisches Gesetz. Literarische Versachlichung von Ruhm nach 1900 (Max Brod, Ernst Weiß)Sarah Mohi-van Känel: Alte Helden gegen die 'Neue Frau'. Erich Kästners Fabian. Die Geschichte eines MoralistenJan Süselbeck: Das multiple Ich. Arnolt Bronnens Autobiografie als später 'Spiegel-Text' zu seinem Freikorps-Heldenroman O. S.Medialer WiderscheinKarl Wagner: Lytton Stracheys Abbau des 'großen Mannes' durch BiographikHans-Georg von Arburg: Totenornamente. Siegfried Kracauer und der Kriegsgefallenenkult in der Weimarer Republik Elisabeth Bronfen: Hollywood und der Erste Weltkrieg: Eine Frage der imaginären Annäherung
Über den Autor / die Autorin
Michael Gamper, SNF-Förderprofessor für Literaturwissenschaft an der ETH Zürich. Forschungsschwerpunkte: Deutsche Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts im internationalen Kontext, Kollektivphänomene, Literatur und Wissenschaft.
Zusammenfassung
Die Geburt des 'grossen Mannes' geschieht in der Armee und im Krieg – so jedenfalls hat es Edmund Burke 1790 in seinen Reflections on the Revolution in France beschrieben. Der 'grosse Mann' macht dann im 19. Jahrhundert in und mit Hilfe von Medien rasant Karriere, gleichzeitig aber gerät er in seinem Herkunftsgebiet zunehmend in eine Krise.
Von den Napoleonischen Kriegen bis zum Ersten Weltkrieg wird die Verehrung der Kriegshelden konterkariert durch Darstellungen und Analysen eines dramatischen Abbaus individueller Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten in der Wirklichkeit der Schlacht und der mit ihr verbundenen Medientechnologien. Dieser Machtverlust wird in der Literatur und den verschiedenen Kriegsdiskursen des 19. Jahrhunderts unabweisbar, und im Ersten Weltkrieg manifestiert sich diese Tendenz in zwei gegenläufigen Momenten: zum einen in der hypertrophen diskursiven Mobilisierung herausragender Individuen, zum andern in einem allgemeinen Bankrott des Helden und der Heldenverehrung, der wiederum produktiv wird für die Etablierung neuer Figuren, Phänomene und Debatten.