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Als ich am 20. Januar 1955, einem Donnerstag, zum ersten Mal das Gelände der Alliance High School betrat, fühlte ich mich, als wäre ich in einem scheinbar niemals endenden Albtraum nur um Haaresbreite einem Rudel Bluthunde entkommen.
Es herrscht Ausnahmezustand in Kenia, der bewaffnete Aufstand der Mau-Mau-Bewegung für die Unabhängigkeit Kenias ist in vollem Gange. Für den sechzehn Jahre alten Ngugi wa Thiong o wird die renommierte Internatsschule in Kikuyu zu einem Refugium, das die Grausamkeiten des Krieges von ihm fernhält. Er taucht ein in eine geordnete Welt aus Bildung, Religion und Gemeinschaftserfahrung. Als er jedoch nach dem ersten Trimester erstmals nach Hause zurückkehrt, findet er kein Zuhause mehr vor. Sein Dorf wurde zerstört, seine Familie zwangsumgesiedelt. Die politische Wirklichkeit bricht nun mit unbarmherziger Härte in seine Welt ein und macht auch vor den Toren der Alliance High School nicht halt. Es kommt zur Verhaftung seines älteren Bruders Good Wallace, der auf der Seite der Aufständischen steht, und schließlich zu einer willkürlichen Festnahme Ngugis.
Mit Im Haus des Hüters legt der kenianische Erzähler Ngugi wa Thiong o nach Träume in Zeiten des Krieges den zweiten Band seiner Lebenserinnerungen vor. Mit großer suggestiver Kraft zeichnet der Autor das eindrucksvolle Bild eines Heranwachsenden auf der Suche nach seinem Platz in der Welt und gibt einen unmittelbaren und bewegenden Einblick in jenen Bereich, in dem sich das Persönliche mit dem Gesellschaftlichen verbindet. Frei von vordergründiger Wertung ist dieses Buch ein einzigartiges Dokument der gesellschaftlichen Umbrüche in der Endzeit des britischen Kolonialismus.
Über den Autor / die Autorin
Ngugi wa Thiong o wurde 1938 als Sohn einer Bauernfamilie in Kamirithu/Limuru in Kenia geboren. 1967 wurde er Dozent für Literatur an der University of Nairobi, wo er bis 1977 lehrte. Wegen seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem postkolonialen Kenia und eines regierungskritischen Theaterstücks wurde er 1977 ohne Anklage inhaftiert und erst nach einer Kampagne von Amnesty International ein Jahr später aus dem Gefängnis entlassen. Nachdem sein Leben unter dem Regime von Daniel arap Moi bedroht wurde, ging er 1982 ins Exil nach London. 1989 übersiedelte er in die USA, wo er heute an der University of California in Irvine Englische und Vergleichende Literaturwissenschaften lehrt.