Mehr lesen
In der lebensbedrohenden Schreibkrise der späten siebziger Jahre wurden für Handke die Wiedergewinnung der Sprache und die Verbindung zur Tradition zu einer Frage des Überlebens. Nicht nur die literarische, auch die künstlerische, philosophische und wissenschaftliche Tradition verwandelt er in seinem Werk nun bewusst in ein Organon der schönen Alltäglichkeit und der Lebenskunst.Hans Höller zeichnet diese verborgene oder offen zutage liegende literarische Verwandlung der Tradition im Werk Handkes nach, er zeigt die Weiterentwicklung von Walter Benjamins "Schwellenkunde" in eine Textlandschaft der rettenden Übergänge und Passagen, die Umsetzung von Goethes "Farbenlehre" in die heitere Farbsemantik der Texte oder die erstaunliche, bisher kaum von der Kritik gewürdigte Wiederentdeckung der 'schönsten Philosophie des Raums', wie Ernst Bloch die "Ethik" des Spinoza genannt hat. Das Novum von Handkes Werk gegenüber der Weimarer Klassik liege darin, dass er das dort unterbelichtete Soziale ins Spiel bringt, literarisch den Weg nach unten geht, zu den Nicht-Privilegierten, die Sprengkraft der Materialität der Triebe verteidigt und die mediale Dimension der Sprache mitdenkt.Handkes Bücher werden als immer neue Variante von Hölderlins "Komm, ins Offene, Freund", gelesen, als die schönste literarisch-philosophische Wendung gegen die Weltkrankheit der Depression. Darum findet man in diesem Handke-Buch heitere Studien zu Flüssen, Bergen, Wolken, zu den Spatzen und zum Himmel, dem Licht und den Farben, den Geräuschen und Naturlauten, dem Schnee, den Gasthäusern und Gärten, oder dem "terrain vague", der prekären Zwickelwelt zwischen den Straßen, Eisenbahnlinien oder den Busbahnhöfen und Vorortkaschemmen. Nicht zuletzt aber geht es in diesen Studien um Handkes Sinn für Arbeit und menschliche Würde, der das Zentrum seiner Idee des Klassischen bildet und sein Werk in ungewöhnlichen sozialkritischen Zusammenhängen neu entdecken lässt.
Über den Autor / die Autorin
Dr. phil. Hans Höller, geboren 1947, studierte Germanistik und Klassische Philologie an der Universität Salzburg; nach dem Studium mehrere Jahre an ausländischen Universitäten (Istituto Universitario Orientale, Neapel; Instytut Filologii Germaniskiej, Wroclaw; Université Paul Valéry, Montpellier); seit 1979 Professor am Germanistik-Institut der Universität Salzburg.
Zusammenfassung
In der lebensbedrohenden Schreibkrise der späten siebziger Jahre wurden für Handke die Wiedergewinnung der Sprache und die Verbindung zur Tradition zu einer Frage des Überlebens. Nicht nur die literarische, auch die künstlerische, philosophische und wissenschaftliche Tradition verwandelt er in seinem Werk nun bewusst in ein Organon der schönen Alltäglichkeit und der Lebenskunst.
Hans Höller zeichnet diese verborgene oder offen zutage liegende literarische Verwandlung der Tradition im Werk Handkes nach, er zeigt die Weiterentwicklung von Walter Benjamins „Schwellenkunde“ in eine Textlandschaft der rettenden Übergänge und Passagen, die Umsetzung von Goethes „Farbenlehre“ in die heitere Farbsemantik der Texte oder die erstaunliche, bisher kaum von der Kritik gewürdigte Wiederentdeckung der ‚schönsten Philosophie des Raums’, wie Ernst Bloch die „Ethik“ des Spinoza genannt hat. Das Novum von Handkes Werk gegenüber der Weimarer Klassik liege darin, dass er das dort unterbelichtete Soziale ins Spiel bringt, literarisch den Weg nach unten geht, zu den Nicht-Privilegierten, die Sprengkraft der Materialität der Triebe verteidigt und die mediale Dimension der Sprache mitdenkt.
Handkes Bücher werden als immer neue Variante von Hölderlins „Komm, ins Offene, Freund“, gelesen, als die schönste literarisch-philosophische Wendung gegen die Weltkrankheit der Depression. Darum findet man in diesem Handke-Buch heitere Studien zu Flüssen, Bergen, Wolken, zu den Spatzen und zum Himmel, dem Licht und den Farben, den Geräuschen und Naturlauten, dem Schnee, den Gasthäusern und Gärten, oder dem „terrain vague“, der prekären Zwickelwelt zwischen den Straßen, Eisenbahnlinien oder den Busbahnhöfen und Vorortkaschemmen. Nicht zuletzt aber geht es in diesen Studien um Handkes Sinn für Arbeit und menschliche Würde, der das Zentrum seiner Idee des Klassischen bildet und sein Werk in ungewöhnlichen sozialkritischen Zusammenhängen neu entdecken lässt.