Ulteriori informazioni
Der Wissenschaftsforscher Bruno Latour wendet sich gegen eine um sich greifende antiaufklärerische Haltung der Kritik, der Geisteswissenschaften, die unappetitliche Verwandtschaften hervorbringt. Wie erklärt es sich, dass unter Intellektuellen weithin unhinterfragt Verschwörungstheorien - etwa bezüglich des 11. September - als Wahrheiten ins Feld geführt werden? Bruno Latour macht in einem lange gepflegten, exzessiven Misstrauen in unverrückbare Tatsachen, die allzu leichtfertig als ideologische Vorurteile ausgegeben werden, eine Hauptgefahr für diese beunruhigende (da selbstentmachtende) Bewegung aus. Generiert womöglich die Kritik selbst diese Effekte, hat sie ihre eigenen »kritischen« Werkzeuge nicht mehr im Griff? Ist Kritik ganz und gar zahnlos geworden?
Latour fordert, das eigene Rüstzeug einer kritischen Betrachtung zu unterziehen - und, wenn nötig, komplett auszuwechseln: »Ist es etwa zuviel verlangt, von unser aller intellektuellen Existenz zu fordern, wenigstens einmal im Jahrhundert ein paar neue kritische Werkzeuge bereitzustellen? Ist es nicht äußerst demütigend, mitanzusehen, daß Militärs wendiger, wachsamer, innovativer sind als wir?«
Info autore
Bruno Latour wurde 1947 im der burgundischen Kleinstadt Beaune als Sohn einer Winzerfamilie geboren. Nach einem Studium der Philosophie und Anthropologie promovierte er 1975 an der Universität Tours. 1979 veröffentlichte Latour zusammen mit dem britischen Soziologen Steve Woolgar Laboratory Life, das Ergebnis seiner Feldstudien im Labor des späteren Nobelpreisträgers Roger Guillemin. Dabei konnte Latour aufzeigen, welche Rollen rhetorische Strategien und technische Artefakte bei der "Konstruktion wissenschaftlicher Tatsachen" spielen. Mit dem 1987 erschienenen Science in Action weitete Bruno Latour diese zunächst sozialkonstruktivistische Argumentation auf das Gebiet der Technik aus. Er entwickelte zusammen mit anderen Soziologen, vor allem Michel Callon und John Law, die Akteur-Netzwerk-Theorie, die über den Sozialkonstruktivismus hinausgeht. Anders als dieser geht die Akteur-Netzwerk-Theorie nicht davon aus, dass Technik und Wirklichkeit sozial konstruiert sind. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass Technik/Natur und das Soziale sich in einem Netzwerk wechselseitig Eigenschaften und Handlungspotentiale zuschreiben. Latour entwickelte später auf Basis dieser Überlegungen mit "Wir sind nie modern gewesen" und "Das Parlament der Dinge" eine Kritik der "modernen" Gesellschaft. 1987 erfolgte die Habilitation an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales. In den Science Wars der 90er Jahre wurde Latour unter anderem von Alan Sokal heftig kritisiert. In "Die Hoffnung der Pandora" setzte sich Latour mit dieser Kritik auseinander. 1982 wurde er Professor für Soziologie an der Ecole Nationale Supérieure des Mines in Paris. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne kuratierte er zusammen mit Peter Weibel die Ausstellungen Iconoclash (2002) und Making Things Public (2005) am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie. 2008 wurde Bruno Latour mit dem "Siegfried Unseld Preis" ausgezeichnet im Jahr 2013 erhielt er den "Holberg Prize".