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Sie schreiben Gesetze. Sitzen in Ministerien. Bezahlt von Konzernen. Früher nannte man das Korruption.Mehr als hundert Vertreter deutscher Großkonzerne haben in Bundesministerien eigene Schreibtische bezogen. Bezahlt werden sie von den Unternehmen. Sie arbeiten an Gesetzen mit und sind politisch immer am Ball. Die Recherchen der Autoren veranlassten den Bundesrechnungshof, ihre Prüfer erstmals in alle Bundesministerien zu schicken. Denn die Unabhängigkeit staatlicher Entscheidungen ist in Gefahr und damit die Demokratie selbst.
Vom Fluglärmgesetz über die Legalisierung der Heuschreckenfonds, den Ausverkauf öffentlicher Projekte an Baukonzerne, das Energiewirtschaftsgesetz, die Gesundheitsreform bis hin zu milliardenschweren Investitionsprojekten wie der Lkw-Maut immer hatten Großkonzerne bezahlte Mitarbeiter in Ministerien platziert. In Hessen kontrollieren vom Flughafenkonzern Fraport selbst bezahlte "Leihbeamte" sogar die Einhaltung des Nachtflugverbotes. Auch die EU-Kommission greift auf "U-Boote" der Industrie zurück: Im Fall der EU-Chemikalienrichtlinie REACH war ein BASF-Mitarbeiter sogar erst in der EU-Kommission, dann im Bundeswirtschaftsministerium, um die Chemierichtlinie im Sinne der Industrie zu beeinflussen. Wer wirklich hinter die Kulissen dieser Schattenregierung blicken will, stößt zumeist auf eine Mauer des Schweigens.
Die Idee eines "Austauschprogramms" von Wirtschaft und Politik begeisterte zunächst viele Mitglieder des rot-grünen Kabinetts, passte sie doch zu ihrer Vorstellung eines schlanken, modernen Staates. Rainer Baake, ehemaliger Umweltstaatssekretär, bereut heute seine Zustimmung: "Es kann nicht sein, dass wir im öffentlichen Dienst sparen und dann sagen: Nun brauchen wir aber für die Erstellung von Gesetzentwürfen die Privatwirtschaft, und die schreibt jetzt ihre Gesetzesentwürfe selbst. Das wäre eine Bankrotterklärung der Politik."Wer regiert Deutschland? In den Bundesministerien für Finanzen, Wirtschaft, Gesundheit, Verkehr, Umwelt, Bildung und Forschung, im Innen- und Außenministerium sowie im Bundeskanzleramt sitzen Vertreter folgender Konzerne und Lobbyverbände (Auswahl): BASF Bayer BDI Bertelsmann Stiftung BP Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft Bundesverband Deutscher Banken Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands DaimlerChrysler Deutsche Bank Deutsche Telekom Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Dresdner Bank E.ON EADS Fraport Hauptverband der Deutschen Bauindustrie HSH Bank IBM Lufthansa Morgan Stanley PricewaterhouseCoopers Robert-Bosch-Stiftung Roland Berger SAP Schenker Siemens Thyssengas Verband der chemischen Industrie Verband forschender Arzneimittelhersteller Vivento Wingas Wintershall...Lobbyismus war gestern. Die Politik ist längst unterwandert.
Info autore
Sascha Adamek, Jahrgang 1968, arbeitet seit 1997 als investigativer Journalist und Filmemacher für den Rundfunk "Berlin Brandenburg" und den "Westdeutschen Rundfunk", u.a. für die ARD-Politikmagazine "Monitor" und "Kontraste" sowie das RBB-Magazin "Klartext".
Kim Otto, Jahrgang 1968, arbeitet seit neun Jahren für das investigative ARD-Politikmagazin "Monitor". 2007 wurde er, gemeinsam mit Kollegen aus der "Monitor"-Redaktion, wurde mit dem "Adolf-Grimme-Preis" ausgezeichnet. Kim Otto ist Professor im Fachbereich Journalistik an der Macromedia Fachhochschule in Köln.