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Gelehrte, Dichterin, Kunstagentin, Ehefrau, vierfache Mutter - das sind kurz gesagt die Eckpunkte, zwischen denen sich das Leben der Kunsthistorikerin Erica Tietze-Conrat in den frühen Tagebuchaufzeichnungen entfaltet. Tietze-Conrat wurde am 22. Juni 1883 in Wien geboren. Die Familie gehörte dem assimilierten jüdischen Bürgertum an. 1905 promovierte sie als erste Kunsthistorikerin an der Wiener Universität und heiratete im selben Jahr ihren Fachkollegen Hans Tietze (1880-1954), noch heute vor allem bekannt wegen der von ihm nach dem Ende der Monarchie durchgeführten Museumsneuorganisation. Die Tagebücher der 1920er-Jahre gewähren dem Leser unerwartete Einblicke in das Wiener Kunstgeschehen, das damals, wie kaum je zuvor oder danach, mit der internationalen Avantgarde in Berührung kam. Nach Hans Tietzes Rücktritt aus dem Staatsdienst begab sich das Ehepaar auf eine mehrmonatige Spanienreise, wobei sie auch innerlich Abstand von ihren Hoffnungen nahmen, im Sinne einer humanistischen Modernisierung in Österreich noch etwas bewirken zu können. Auch in den späten Aufzeichnungen von 1937 und 1938 begegnet man den Tietzes auf Reisen. Gemeinsam forschten sie in den großen Museen und Privatsammlungen Europas. Was als Forschungsreise begonnen hatte, endete als Flucht vor den Nationalsozialisten. Mit scharfer Beobachtungsgabe hielt Tietze-Conrat ihre Begegnungen mit Vertretern internationaler Museen, Kunstgelehrten, Sammlern, Händlern und Künstlern fest. Angesichts des sich abzeichnenden Zusammenbruchs wird ihr die kunstgeschichtliche Forschung zum lebenserhaltenden Bollwerk. Schließlich gelang ihnen die Flucht in die USA, wo Tietze-Conrat an der Columbia-University lehrte. Sie starb 1958 in New York.
Info autore
Alexandra Caruso ist Übersetzerin, Kulturmanagerin und Kunsthistorikerin und seit 2006 Mitglied der Österreichischen Kommission für Provenienzforschung.
Riassunto
Erica Tietze-Conrat wurde am 22. Juni 1883 in Wien geboren. Die Familie gehörte dem assimilierten jüdischen Bürgertum an. 1905 promovierte Erica Conrat als erste Kunsthistorikerin an der Wiener Universität und heiratete im selben Jahr ihren Fachkollegen Hans Tietze (1880–1954), noch heute vor allem bekannt wegen der von ihm nach dem Ende der Monarchie durchgeführten Museumsneuorganisation. Die frühen Tagebuchaufzeichnungen erhellen die beruflichen Möglichkeiten und das Agieren einer jungen Kunstgelehrten mit eigenen künstlerischen Aspirationen im Kunstgeschehen Wiens während der 1920er-Jahre. Man kann beobachten, wie sich Erica Tietze-Conrat auf ihrem Weg trotz bestehender gesellschaftlicher Einschränkungen eigenständig entwickelte. Nach Hans Tietzes Rücktritt aus dem Staatsdienst begab sich das Ehepaar auf eine mehrmonatige Spanienreise wobei sie auch innerlich Abstand von ihren Hoffnungen nahmen, in Österreich im Sinne einer humanistischen Modernisierung noch etwas bewirken zu können. Zur Zeit des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland forschten Tietzes in den großen Museen und Sammlungen Europas. Schließlich gelang ihnen die Flucht in die USA, wo Tietze-Conrat, ihrer großen Gelehrsamkeit entsprechend, eine Dozentur an der Columbia-University erhielt. Sie starb 1958 in New York.