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Deutsch von Frank Günther
Mit einem Essay von Kurt Tetzeli
Romeo und Julia: die Namen stehen längst für einen Mythos, den Mythos der tragischen Leidenschaft. Die Geschichte hat unzählige Nachahmer gefunden, und der Aufruhr der Gefühle darin gehört heute, trivialisiert und ausschnittsweise, zum Repertoire nicht weniger Seifenopern: der tödliche Zwist zweier Familien; der Blitzschlag der unerlaubten Liebe zwischen den Kindern dieser Häuser; das Ungestüm und die Zärtlichkeit, mit denen sich beide dieser Liebe versichern; der Todesmut, mit dem Julia in den Plan einwilligt, sich als Scheintote "entführen" zu lassen, um damit einer anderweitigen Vermählung zu entgehen und Romeo nachzufolgen. Und dann natürlich die tragischste aller Szenen, der Liebestod: Romeo, durch einen fatalen Zufall nur unzureichend über den Plan informiert, glaubt Julia tot und vergiftet sich in ihrer Gruft; Julia erwacht und ersticht sich mit Romeos Dolch.
Das alles scheint eher romantisch als elisabethanisch, und durch die gewohnte Brille des 19. Jahrhunderts (als das Stück als Tragödie zum großen Erfolg wurde, während man es im 18. ohne Bedenken auch mal glücklich enden ließ) sehen wir heute noch jene "große Liebe", die von der "Gesellschaft" nicht gewollt wird. Shakespeare aber erfand zu seiner Zeit mit Romeo und Julia etwas völlig Unbekanntes: die erste englische Liebestragödie.
About the author
William Shakespeare (1564-1616) gilt als einer der größten Dichter und Dramatiker der Weltgeschichte. Er verfasste zahlreiche Dramen, Tragödien, Komödien und Gedichte, mit denen er schon zu Lebzeiten Anerkennung und Wohlstand errang. Aber erst in den folgenden Jahrhunderten wurde er zum Prototypen des literarischen Genies, ohne den die Entwicklung der neueren Literatur von Goethe über Brecht bis in die Gegenwart hinein undenkbar ist.
Frank Günther, geboren 1947 in Freiburg, wuchs in Wiesbaden auf. Er studierte Germanistik, Anglistik und Theaterwissenschaft in Mainz und Bochum und erlag dabei den Verlockungen des Theaters. Er war als Regieassistent beim amerikanischen Regisseur Charles Marowitz in Wiesbaden, Bochum und London, wodurch er Kontakt zum englischen off-off-Theater im Dunstkreis von Peter Brook gewann. Dessen Sommernachtstraum war später die Initialzündung für die eigene Theater- und Spracharbeit. Es folgten Regieassistenzen in Bochum und Stuttgart sowie ein Lehrauftrag an der dortigen staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Anschließend ging er als fester Regisseur nach Heidelberg. Nach zwei Jahren und einem halben Dutzend eigener Inszenierungen machte er sich nach Amerika auf, wo er ein Jahr on the road als Tabakpflücker, Kellner und Tellerwäscher in Kanada und den USA zubrachte. Zurück in Deutschland begann er mit ersten Übersetzungen elisabethanischer Dramatiker und war in Haßliebe zum Theater u.a. in Heidelberg, Bielefeld, Basel und Wiesbaden als Regisseur tätig. Die Shakespeare-Übersetzung, die als Auftragsarbeit begann, wurde im Laufe der Jahre zu seiner Hauptbeschäftigung. Zuletzt erhielt er im Jahr 2006 den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis für seine viel gerühmten und von vielen deutschsprachigen Bühnen gespielten Shakespeare-Übersetzungen, die sich durch ihre sprachliche Genauigkeit und ihre Shakespearsche Lebendigkeit auszeichnen, so die Begründung der Jury. Zum Wintersemester 2007/2008 wurde er zum ersten Inhaber der neuen August Wilhelm von Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der Freien Universität Berlin gewählt. 2011 wurde er von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis geehrt.
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Deutsch von Frank Günther
Mit einem Essay von Kurt Tetzeli
Romeo und Julia: die Namen stehen längst für einen Mythos, den Mythos der tragischen Leidenschaft. Die Geschichte hat unzählige Nachahmer gefunden, und der Aufruhr der Gefühle darin gehört heute, trivialisiert und ausschnittsweise, zum Repertoire nicht weniger Seifenopern: der tödliche Zwist zweier Familien; der Blitzschlag der unerlaubten Liebe zwischen den Kindern dieser Häuser; das Ungestüm und die Zärtlichkeit, mit denen sich beide dieser Liebe versichern; der Todesmut, mit dem Julia in den Plan einwilligt, sich als Scheintote »entführen« zu lassen, um damit einer anderweitigen Vermählung zu entgehen und Romeo nachzufolgen. Und dann natürlich die tragischste aller Szenen, der Liebestod: Romeo, durch einen fatalen Zufall nur unzureichend über den Plan informiert, glaubt Julia tot und vergiftet sich in ihrer Gruft; Julia erwacht und ersticht sich mit Romeos Dolch.
Das alles scheint eher romantisch als elisabethanisch, und durch die gewohnte Brille des 19. Jahrhunderts (als das Stück als Tragödie zum großen Erfolg wurde, während man es im 18. ohne Bedenken auch mal glücklich enden ließ) sehen wir heute noch jene »große Liebe«, die von der »Gesellschaft« nicht gewollt wird. Shakespeare aber erfand zu seiner Zeit mit ›Romeo und Julia‹ etwas völlig Unbekanntes: die erste englische Liebestragödie.