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Zwei besondere Merkmale kennzeichnen den Themenbestand der Erzählungen dieses Bandes: Kontinuität und behutsamer Zuwachs. Lenz knüpft an Vorhandenes an, führt bewährte Motive weiter. Der Widerstreit zwischen Macht und Geist ist für ihn noch immer fruchtbar; sein Verhältnis zum Meer als Schauplatz menschlicher Bewährung und menschlichen Versagens ist ungebrochen. Doch daneben treten neue Themen, neue Motive ins Bild, stellen sich neue Fragen zu erzählerischer Beantwortung: Welchen Einfluß übt die Aufgabe, für einen prominenten Politiker Reden zu entwerfen, auf den geistigen Haushalt eines Schriftstellers aus? Wie steht es um die Geltung erbarmungsloser Kriegsgerichtsbarkeit - "Ein Kriegsende" - in der Stunde der Kapitulation? Wie kann bloße Abwesenheit, der unvorhergesehene Ausfall vereinbarter Kommunikation, erwiesenes Vertrauen in tödlichen Argwohn verwandelt werden? Und wie wird es der jungen Serbin Ludmilla ergehen, die nach Hamburg fährt, um die andere Hälfte eines zerbrochenen Löffels zu finden? Wie endlich soll Ludmilla, die in der Naturwelt der sibirischen Tundra aufgewachsen ist, im fernen Deutschland mit einer ihr völlig fremden Lebenseinstellung fertig werden? Indem sie exemplarische Fragen stellen, fordern diese Geschichten den Leser auf, Konsequenzen zu ziehen, angedeutete Schicksale zu vervollständigen. Sie bieten keine handlich gelösten Probleme an, keine eindeutigen - und schon deshalb fragwürdigen - Lebensrezepte; aber sie nötigen den Leser immer wieder, die in ihnen verborgenen Denkanstöße beim Wort zu nehmen.
About the author
Siegfried Lenz, geboren 1926 in Lyck (Ostpreußen), begann nach dem Krieg in Hamburg das Studium der Literaturgeschichte, Anglistik und Philosophie. Danach wurde er Redakteur. Er zählt er zu den profiliertesten deutschen Autoren. Seit 1951 lebte Siegfried Lenz als freier Schriftsteller in Hamburg. 1988 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 2004 wurde ihm der Hannelore-Greve-Preis der Hamburger Autorenvereinigung verliehen, 2009 erhielt er den Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte und 2010 wurde Siegfried Lenz mit dem Nonino International Prize ausgezeichnet. 2011 schließlich verlieh man ihm die Ehrenbürgerwürde seiner polnischen Geburtsstadt. Siegried Lenz verstarb 2014.
Summary
Zwei besondere Merkmale kennzeichnen den Themenbestand der Erzählungen dieses Bandes: Kontinuität und behutsamer Zuwachs. Lenz knüpft an Vorhandenes an, führt bewährte Motive weiter. Der Widerstreit zwischen Macht und Geist ist für ihn noch immer fruchtbar; sein Verhältnis zum Meer als Schauplatz menschlicher Bewährung und menschlichen Versagens ist ungebrochen. Doch daneben treten neue Themen, neue Motive ins Bild, stellen sich neue Fragen zu erzählerischer Beantwortung: Welchen Einfluß übt die Aufgabe, für einen prominenten Politiker Reden zu entwerfen, auf den geistigen Haushalt eines Schriftstellers aus? Wie steht es um die Geltung erbarmungsloser Kriegsgerichtsbarkeit - "Ein Kriegsende" - in der Stunde der Kapitulation? Wie kann bloße Abwesenheit, der unvorhergesehene Ausfall vereinbarter Kommunikation, erwiesenes Vertrauen in tödlichen Argwohn verwandelt werden? Und wie wird es der jungen Serbin Ludmilla ergehen, die nach Hamburg fährt, um die andere Hälfte eines zerbrochenen Löffels zu finden? Wie endlich soll Ludmilla, die in der Naturwelt der sibirischen Tundra aufgewachsen ist, im fernen Deutschland mit einer ihr völlig fremden Lebenseinstellung fertig werden?
Indem sie exemplarische Fragen stellen, fordern diese Geschichten den Leser auf, Konsequenzen zu ziehen, angedeutete Schicksale zu vervollständigen. Sie bieten keine handlich gelösten Probleme an, keine eindeutigen - und schon deshalb fragwürdigen - Lebensrezepte; aber sie nötigen den Leser immer wieder, die in ihnen verborgenen Denkanstöße beim Wort zu nehmen.