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Das Ungewöhnliche an der Freundschaft, deren Chronik dieser Briefwechsel bildet, war nicht ihr aufsehenerregendes Ende: jener fetzige Verriß, mit dem der amerikanische Autor Edmund Wilson 1965 die kommentierte «Eugen Onegin»-Übersetzung bedachte, auf die Vladimir Nabokov mehr Mühe verwandt hatte als auf irgendeines seiner eigenen Werke; und dann Nabokovs noch fetzigere Selbstverteidigung. Das Ungewöhnliche an ihr war, daß sie überhaupt zustande kam und dann so lange hielt. Dauerhafte und enge intellektuelle Freundschaften unter Schriftstellern sind selten, denn Schriftsteller von einigem Anspruch müssen unabhängige Geister, ja Monomanen sein,
und diese beiden waren es jedenfalls. Vor allem Nabokov war sonst immer penibel auf Abstand bedacht, und der gefürchtete Literaturkritiker Wilson war eigentlich auch nicht jemand, den man ohne weiteres mit «Bunny» anreden durfte. Worauf sich ihre Freundschaft genau gründete, bleibt in gewisser Weise ein Rätsel. In der ersten Zeit profitierten sicherlich beide von ihr: Nabokov war 1940 neu in Amerika und brauchte jemand, der ihm mit Rat und Tat beistand, sich im amerikanischen Literaturbetrieb zurechtzufinden - beides wußte Wilson ihm großzügig zu spenden.
Wilson seinerseits hatte, nach der großen Enttäuschung über Stalins Regime, gerade begonnen, Russisch zu lernen und sich systematisch mit der russischen Literatur zu beschäftigen; da war ihm ein veritabler russischer Schriftsteller willkommen, der ihn beim Eindringen in die fremde Kultur bereitwillig unterstützte. Bald aber zeigte sich, daß die gegenseitige Hilfe ihre Grenzen hatte: Auch der arrivierte Wilson hatte immer wieder schwere Existenzsorgen, die denen Nabokovs kaum nachstanden, und mußte wie dieser einen täglichen Kampf mit Redakteuren und Verlegern führen.
About the author
Vladimir Nabokov, geb. am 22.04.1899 in St. Petersburg, entstammte einer großbürgerlichen russischen Familie, die nach der Oktoberrevolution von 1917 emigrierte. Nabokov selbst ging zunächst nach England, wo er am Trinity College in Cambridge französische und russische Literatur studierte. Von 1922-37 lebte er in Berlin, wo er 1925 die Russin Vera Slonim heiratete, der er bis zu seinem Lebensende nahezu alle seine Bücher gewidmet hat. 1938 verließ Nabokov Deutschland und ging mit seiner Frau und seinem Sohn nach Paris, bevor er 1940 nach Amerika übersiedelte. Wegen seiner Kenntnisse als Schmetterlingsforscher erhielt er 1942 einen Forschungsauftrag der Harvard Universität. Er beschrieb eine Reihe von neuen Schmetterlingsarten, von denen eine nach ihm benannt wurde. 1945 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Mit der Hilfe von Freunden und unter anderem aufgrund der Studie über Nikolai Gogol, die er 1944 veröffentlichte, wurde ihm 1948 eine Professur für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität von Cornell angeboten. Hier arbeitete er zehn Jahre lang, bis ihm der der Welterfolg von "Lolita" es ihm ermöglichte, seine Lehrtätigkeit aufzugeben. Nabokov zog in die Schweiz, wo er sich ganz dem Schreiben widmete, Schmetterlinge fing und seine russischen Romane ins Englische übersetzte. In gewisser Weise hat er sein Exildasein bis zu seinem Lebensende bewusst aufrechterhalten. Nie besaß er eine Wohnung oder ein Haus. Er lebte in einem Hotel in Montreux, wo er am 5. Juli 1977 starb. Auszeichnung der American Academy of Arts and Letters (1953); Kunstpreis der Brandeis Universität (1963/64); Orden des National Institut of Arts and Letters (1969).
Dieter Eduard Zimmer, geboren 1934, ist Schriftsteller, Übersetzer und Publizist. Er studierte Literatur- und Sprachwissenschaft in Berlin, Genf und den USA. Ab 1959 lebte er in Hamburg und war dort lange Redakteur der Wochenzeitung 'Die Zeit', von 1973 bis 1977 Feuilletonchef. Seit 2000 ist Zimmer als freier Schriftsteller, Literaturkritiker, Übersetzer und Publizist in Berlin tätig. Der umfassend gebildete Autor veröffentlichte Bücher und Zeitschriftenartikel zu Fragen der Psychologie, Biologie, Anthropologie, Medizin, Linguistik, Kommunikationswissenschaft und des Bibliothekswesens. Seit 1989 ist Zimmer Herausgeber der deutschen Gesamtausgabe von Vladimir Nabokov. 2008 erhielt Dieter Zimmmer den Übersetzerpreis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung.
Eike Schönfeld, geb. 1949, übersetzt aus dem Englischen, u. a. Werke von Martin Amis, Nicholson Baker, Saul Bellow, Jeffrey Eugenedis, Henry Fielding, Jonathan Franzen, J.D.Salinger. Er erhielt den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung und den Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis. Im Jahr 2014 wurde ihm der Internationale Hermann-Hesse-Preis für seine Übersetzungen des Werkes von Nicholson Baker verliehen.
Summary
Das Ungewöhnliche an der Freundschaft, deren Chronik dieser Briefwechsel bildet, war nicht ihr aufsehenerregendes Ende: jener fetzige Verriß, mit dem der amerikanische Autor Edmund Wilson 1965 die kommentierte «Eugen Onegin»-Übersetzung bedachte, auf die Vladimir Nabokov mehr Mühe verwandt hatte als auf irgendeines seiner eigenen Werke; und dann Nabokovs noch fetzigere Selbstverteidigung. Das Ungewöhnliche an ihr war, daß sie überhaupt zustande kam und dann so lange hielt. Dauerhafte und enge intellektuelle Freundschaften unter Schriftstellern sind selten, denn Schriftsteller von einigem Anspruch müssen unabhängige Geister, ja Monomanen sein,
und diese beiden waren es jedenfalls. Vor allem Nabokov war sonst immer penibel auf Abstand bedacht, und der gefürchtete Literaturkritiker Wilson war eigentlich auch nicht jemand, den man ohne weiteres mit «Bunny» anreden durfte. Worauf sich ihre Freundschaft genau gründete, bleibt in gewisser Weise ein Rätsel. In der ersten Zeit profitierten sicherlich beide von ihr: Nabokov war 1940 neu in Amerika und brauchte jemand, der ihm mit Rat und Tat beistand, sich im amerikanischen Literaturbetrieb zurechtzufinden - beides wußte Wilson ihm großzügig zu spenden.
Wilson seinerseits hatte, nach der großen Enttäuschung über Stalins Regime, gerade begonnen, Russisch zu lernen und sich systematisch mit der russischen Literatur zu beschäftigen; da war ihm ein veritabler russischer Schriftsteller willkommen, der ihn beim Eindringen in die fremde Kultur bereitwillig unterstützte. Bald aber zeigte sich, daß die gegenseitige Hilfe ihre Grenzen hatte: Auch der arrivierte Wilson hatte immer wieder schwere Existenzsorgen, die denen Nabokovs kaum nachstanden, und mußte wie dieser einen täglichen Kampf mit Redakteuren und Verlegern führen.