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Eine Geburt der Künste aus den Sinnen setzt voraus, daß den Sinnen etwas Verschwenderisches und Spielerisches anhaftet und daß umgekehrt die Künste sinnliche Impulse aufgreifen. Der Austausch vollzieht sich im Medium einer technisch und medial durchformten Aisthesis, Kinesis und Pathik des Leibes. Davon zeugen, wie Bernhard Waldenfels darlegt, Bilder und Bildwirkungen, Experimente mit Klang, Ton, Stimme und Geräusch, Tanzbewegungen, Bühnendarbietungen und überraschende Schnitte im Film genauso wie Geschmackserlebnisse. Im Hintergrund melden sich Intuitionen und das Pathos des Gefühls, das in der Schmerzerfahrung die Heilkünste auf den Plan ruft. Die phänomenologische Analyse einer von Widerfahrnis geprägten Erfahrung trifft sich so mit der Findigkeit der Künste.
List of contents
1. Gespür für die Dinge
Intuition und Rationalität
Ordnung im Werden
Intuitive Einsprengsel: Einfälle, Vorahnungen, Rückerinnerungen, Figurationen, Relevante Züge, Ungefähre Schätzungen
2. Bildgefüge und Bildgeschehen
Medialer Widerstreit
Pikturale Epoché
Bildgestalt, Bildmaterie und Bildgrund
Bildgestalt und Bildsinn
Bildwirkung und Bildmaterie
Grasgrün bei Musil mit Nietzsche
Bildkehre und aufgeklärter Animismus
3. Spiegel, Spur und Blick
Abbild, Urbild und Verähnlichung
Fernbild und Vergegenwärtigung
Fluchtbild und Entzug
4. Wirkmacht und Wirkkraft der Bilder
Kontrollierte Macht- und Reizwirkungen
Wirkungen der Aufmerksamkeit: Auffallen und Aufmerken, Macht, Kraft und Gewalt, Primäre und sekundäre Aufmerksamkeit, Polarisierungen und Dissoziationen der Aufmerksamkeit
Augenfälligkeit der Bilder: Wirken durch Bilder, Bildwirkung und Bildgestalt, Pathosformen, Pathos im Schatten des Eidos
5. Indirekte Wirkungen in der Kunst
Staunend lehren, lernend staunen
6. Bildhaftes Sehen bei Merleau-Ponty
Husserls Erbe
Perzeption, Leib und Gestalt
Expression, Struktur und Stil
Vision und Blick im Horizont des Seins
7. Klänge und Töne aus der Ferne
Der hörende Mensch
Klangwelten
Erklingen und Verklingen
Hörerfahrung
Mehrstimmigkeit
Klangfluchten
Klangkörper und Klangleib
Welt der Töne an der Kulturschwelle
Zwischen den Musikkulturen
Unhörbare Stille
8. Lautwerden der Stimme
Vielfältigkeit der Stimme
Stimmerzeugung
Stimmoffenbarung
Stimmereignis
Zeiträumlichkeit der Stimme
Fremdheit der Stimme
Leibkörperlichkeit der Stimme
Natürlichkeit und Künstlichkeit der Stimme
Symphonien und Heterophonien
Unhörbares im Hörbaren
9. Leibliche Bewegung im Tanz
Historische Bewegungsmuster
Selbstbewegung
Fremdbewegung
Zwischenbewegungen
Raum und Zeit der Bewegung
Natürlichkeit und Künstlichkeit der Bewegung
Gebundene und freie Beweglichkeit
Bewegung im Überschwang
Bewegungselemente des Tanzes
Kinetische Epoché
Tanzfiguren
Eingebundener und freier Tanz
10. Theater als Schauplatz des Fremden
Fremdheit
Aufführung
Bühnenraum und Bühnenzeit
Maskenspiel
Sprech- und Körpertheater
Zusammenspiel der Sinne
Bühnentechniken
Aktion und Rezeption
Experimente zwischen Schock und Routine
Salzburger Theaterexperimente: Zertanzte Familie, Pasolinis Streifzüge durch die Großstadtwüste, Sprechtheater aus dem Kopfhörer, Gespielte Schreckensszenen aus Auschwitz
11. Mimetische Differenz und pathische Impulse
Ort der Bühne
Mimetische Differenz
Pathische Impulse
12. Überraschte Wahrnehmung im Kino
Ouvertüre: Szenen des Staunens
Abweichung vom Erwarteten
Eintauchen in eine Gegenwelt
Umschlag ins Unvertraute
Überraschung als Widerfahrnis
Überraschungseffekte und Reaktionsweisen
13. Fremdspeise und Tafelkünste
Traditionelle Speise- und Getränkemenüs
Inferiorität von Essen und Trinken
Leibhaftiges Essen und Trinken
Fremdheitsmotive
14. Der leibliche Sitz der Gefühle
Verdrängung und Wiederkehr der Gefühle
Gefühl als Pathos
Leiblichkeit der Gefühle
Dimensionen der Gefühle
Normalisierung und Technisierung der Gefühle
Philosophie der Gefühle
15. Schmerzerfahrung und Heilkünste
Getroffensein vom Schmerz
Schmerzschwellen und Sc
About the author
Bernhard Waldenfels, geb. 1934, Studium der Philosophie, Psychologie, Klassischen Philologie und Geschichte in Bonn, Innsbruck, München und Paris; Promotion 1959, Habilitation 1967; 1968-76 Lehrtätigkeit in München; seit 1976 Professor für Philosophie an der Universität Bochum; emeritiert 1999. Gastprofessuren in Louvain-la-Neuve, New York, Rom, Rotterdam, Paris, Prag und San Jose. Präsident der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Forschung von 1996-98.
Summary
Eine Geburt der Künste aus den Sinnen setzt voraus, daß den Sinnen etwas Verschwenderisches und Spielerisches anhaftet und daß umgekehrt die Künste sinnliche Impulse aufgreifen. Der Austausch vollzieht sich im Medium einer technisch und medial durchformten Aisthesis, Kinesis und Pathik des Leibes. Davon zeugen, wie Bernhard Waldenfels darlegt, Bilder und Bildwirkungen, Experimente mit Klang, Ton, Stimme und Geräusch, Tanzbewegungen, Bühnendarbietungen und überraschende Schnitte im Film genauso wie Geschmackserlebnisse. Im Hintergrund melden sich Intuitionen und das Pathos des Gefühls, das in der Schmerzerfahrung die Heilkünste auf den Plan ruft. Die phänomenologische Analyse einer von Widerfahrnis geprägten Erfahrung trifft sich so mit der Findigkeit der Künste.