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Das Wunder einer vernünftigen Liebe
Verdanken wir das Ideal einer humanistischen Erziehung dem Alltag einer außergewöhnlichen Beziehung? Hazel Rosenstrauchs kritische und wissensgesättigte Annährung an ein Ehepaar, das seiner Zeit weit voraus war.
Wilhelm von Humboldt: der große Reformer unseres Bildungswesens, der Diplomat, der Ästhet, der dem Wesen der Antike auf der Spur war, der Sprach-Philosoph, der Goethe- und Schiller-Freund. Seine Persönlichkeit ist nicht denkbar ohne seine Frau, Caroline von Dacheröden, Mutter seiner fünf Kinder, in den Hauptstädten Europas zu Hause: eine Partnerin, die ihm an Weltneugier, Bildung, Kunstsinn und an tätiger Humanität ebenbürtig war. Die beiden verband keine allzu leidenschaftliche Beziehung, doch eine Liebe "auf gleicher Höhe". Die "Individualitäten eines jeden Charakters... in einem so engen Verhältnis wie die Ehe respektiert zu sehen", schrieb sie ihm, "war das einzige, was ich bei dem Mann suchte, dem ich meine Hand geben wollte ..." Das entsprach seinem Wunsch "in dem engsten Verhältnis die höchste Freiheit zu behalten". Anhand unzähliger Briefe, die sich die beiden über Jahrzehnte geschrieben haben, zeichnet Hazel Rosenstrauch mit kritischer Sympathie das Bild einer selbstbewussten Frau, deren Begriff von Liebe und Partnerschaft weit in die Moderne vorauswies, und das ihres Gefährten, der - an ihrem freien Wesen gewachsen - zu einem der großen liberalen Geister unserer Geschichte wurde.
About the author
Hazel Rosenstrauch, geboren 1945 als Tochter jüdisch-kommunistischer Emigranten in England, wuchs in Wien auf. Sie versuchte zuerst in die USA, dann nach Kanada auszuwandern, und kam 'gerade rechtzeitig zur Studentenbewegung' nach Berlin. Sie blieb 23 Jahre in der BRD, lebte u.a. in Köln, München, Tübingen und immer wieder Berlin und studierte Germanistik und Soziologie, später Empirische Kulturwissenschaft. Ende 1988 Umzug nach Wien, bis zu seiner Einstellung war sie Redakteurin des 'Wiener Tagebuchs'. Seit 1997 wieder in Berlin, wo sie als Lehrbeauftragte an der Humboldt-Universität arbeitet und bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die Zeitschrift 'Gegenworte' herausgibt. 2012 wurde sie mit dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik geehrt.