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'Gemeinschaft' gehört zu den schillernden Vokabeln der Moderne. Das Aufeinanderprallen einer vermeintlich 'warmen' Gemeinschaft mit einer als 'kalt' empfundenen Gesellschaft steht sinnbildlich für die Geburt soziologischen Denkens am Ende des 19. Jahrhunderts. In diesem Begriff spiegelt sich beinahe idealtypisch das Unbehagen an der Moderne. Im semantischen Speicher der Lebenswelt erscheint Gemeinschaft als Schlüssel zu einer Sozialität, die im Prozess der Modernisierung verdrängt, ausgelöscht, verhindert oder verbannt wurde. Diese positiven Konnotationen sind im Laufe der Geschichte indes zunehmend verblasst. Spätestens im Anschluss an die erschreckenden Erfahrungen des zwanzigsten Jahrhunderts, in deren Epizentrum die verhängnisvolle Idee der Volksgemeinschaft zirkulierte, hat der Begriff seine vormalige Unschuld endgültig verloren. Diese Kontamination der Gemeinschaftsidee macht bis heute eine neutrale Annäherung an die Thematik unmöglich. Der sozialwissenschaftliche Diskurs zeigt sich entsprechend gehemmt, erst in jüngster Zeit rückt das Thema erneut in den Mittelpunkt eines dezidiert systematischen Denkens. Dieser Band begibt sich auf Spurensuche in einem faszinierenden, aber unwegsamen Gelände.
About the author
Prof. Dr. Hartmut Rosa ist zurzeit Lehrstuhlvertreter für Politikwissenschaft an der Universität Augsburg und regelmäßiger Gastprofessor an der New School University, New York.
Henning Laux, Dr. phil, ist wiss. Mitarbeiter an der Universität Bremen am Lehrstuhl für soziologische Theorie von Uwe Schimank. Nach dem Studium in Mainz und Glasgow hat er bei Hartmut Rosa an der Universität Jena promoviert. Ausgehend von einer vergleichenden Lektüre soziologischer Theoreme erforscht er derzeit drei zentrale Phänomenkomplexe: Die Desynchronisation des Sozialen, die spätmodernen Attacken gegen das Konzept der individuellen Urheberschaft und die narrative Inszenierung von Wissenschaft.