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Über Jahrhunderte, von 1300 bis 1800, war die Leitgattung der europäischen Malerei das Historiengemälde. Götter, Helden, Menschen aus heidnischer, jüdischer, christlicher Sage wurden ins Bild geholt. Ivan Nagel zeigt den Aufstieg des neuen Historienbildes von 1300 bis 1500. In einem weit verbreiteten Vorurteil sah man Giottos, Masaccios und Leonardos Werke als »erzählende Bilder«. Ivan Nagel zeigt indessen, daß sie ihr präsentisches Aufleuchten einer Handlung nicht mit dem Epos oder dem Roman teilen, sondern mit dem Drama, das sie, lange vor dem Theater, erneuern.Der Autor zeigt, wie Giotto und Dante gemeinsam die Kunst als sichtbares Sprechen, »visibile parlare«, als Dialog der Gesten, Mienen und Blicke entdecken; wie Giotto seinen lebenslangen Helden Franz von Assis erst als aufrührerischen Lebensreformer, dann als kanonisierten Wundertäter, schließlich als modernen Menschen autonomer Entschlüsse in diesen Bilddialogen spiegelt. Eine weitere Untersuchung gilt der (bislang oft ignorierten) Freundschaft zwischen Masaccio und Alberti.In neuem Licht erscheint »Filippos Kreis«, drei Bund unverheirateter Männer um den wegweisenden Baumeister Brunelleschi, zu dem außer Masaccio und Alberti der Bildhauer Donatello gehörte. Der Kreis wird in den homoerotischen Sitten von Florenz verortet. Sein neuer Blick ermöglichte eine Renaissance des in Freiheit handelnden Männerkörpers, Liebe des Menschen zum Menschen, behielt unterdessen die Entrechtung der Frau als Schandfleck. Zum Abschluß deutet Ivan Nagel die maßgebenden Bilder der Neuen Historie: Giottos "Navicella", Masaccios "Zinsgroschen" und Leonardos »Abendmahl«.
List of contents
Einleitung
Über das Historiengemälde
Gemälde, Drama, Erzählung
Zur Geschichte der Begriffe
Giotto und Dante
Das sichtbare Sprechen
Giottos Folgerungen
Eine Bühne für den Bürgerhelden
Masaccio und Alberti
Der Mensch von Kopf bis Fuß
Filippos Kreis 1
Baumeister, Bildhauer, Maler, Denker
Filippos Kreis 2
Bildner und Schöpfer ihrer selbst
Blicke und Augenblicke
Vom Apostelboot zum Abendmahl
Navicella: Der Erlöser und die Jünger
Der Zinsgroschen: Der Augenblick und das Wunder
Das letzte Abendmahl: Überlegungen zu Leonardo
Zu Kapitel 2
»Storia«: Zum Wortgebrauch vor Dante
Die Begegnung von Dante und Giotto
Topographie der Gottesreliefs
Antike, Bühne, Perspektive
Deutungen des »visibile parlare«
Zu Kapitel 4
Masaccios Bildnis des Alberti
Masaccios Leben und Tod
Das Fenster zur Historie
Alberti und der Turm von Babel
Zur Farbenlehre: Licht und Schatten
Rhetorik oder Drama?
Zu Kapitel 6
Brunelleschis Genieschule
Anschwärzer und Weißwäscher
Zu Kapitel 7
Das »Abendmahl« und das Wunder
About the author
Ivan Nagel wurde 1931 in Budapest geboren. Er studierte in Zürich und Frankfurt am Main, arbeitete als Kritiker und Dramaturg in München, leitete von 1972 bis 1979 das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, lebte von 1981 bis 1983 in New York, begründete das "Theater der Welt", war Chef des Stuttgarter Schauspiels und lehrte seit 1988 als Professor für Ästhetik und darstellende Kunst in Berlin. 2005 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis. Ivan Nagel verstarb 2012.
Summary
Über Jahrhunderte, von 1300 bis 1800, war die Leitgattung der europäischen Malerei das Historiengemälde. Götter, Helden, Menschen aus heidnischer, jüdischer, christlicher Sage wurden ins Bild geholt. Ivan Nagel zeigt den Aufstieg des neuen Historienbildes von 1300 bis 1500. In einem weit verbreiteten Vorurteil sah man Giottos, Masaccios und Leonardos Werke als »erzählende Bilder«. Ivan Nagel zeigt indessen, daß sie ihr präsentisches Aufleuchten einer Handlung nicht mit dem Epos oder dem Roman teilen, sondern mit dem Drama, das sie, lange vor dem Theater, erneuern.
Der Autor zeigt, wie Giotto und Dante gemeinsam die Kunst als sichtbares Sprechen, »visibile parlare«, als Dialog der Gesten, Mienen und Blicke entdecken; wie Giotto seinen lebenslangen Helden Franz von Assis erst als aufrührerischen Lebensreformer, dann als kanonisierten Wundertäter, schließlich als modernen Menschen autonomer Entschlüsse in diesen Bilddialogen spiegelt. Eine weitere Untersuchung gilt der (bislang oft ignorierten) Freundschaft zwischen Masaccio und Alberti.
In neuem Licht erscheint »Filippos Kreis«, drei Bund unverheirateter Männer um den wegweisenden Baumeister Brunelleschi, zu dem außer Masaccio und Alberti der Bildhauer Donatello gehörte. Der Kreis wird in den homoerotischen Sitten von Florenz verortet. Sein neuer Blick ermöglichte eine Renaissance des in Freiheit handelnden Männerkörpers, Liebe des Menschen zum Menschen, behielt unterdessen die Entrechtung der Frau als Schandfleck. Zum Abschluß deutet Ivan Nagel die maßgebenden Bilder der Neuen Historie: Giottos "Navicella", Masaccios "Zinsgroschen" und Leonardos »Abendmahl«.
Additional text
»Man kann nicht energischer ins Zentrum der europäischen Kunst der Neuzeit zielen, als es Nagel in seinem Buch über Giotto, Masaccio, Alberti, Donatello, Brunelleschi tut.«
Report
»Man kann nicht energischer ins Zentrum der europäischen Kunst der Neuzeit zielen, als es Nagel in seinem Buch über Giotto, Masaccio, Alberti, Donatello, Brunelleschi tut.« Henning Ritter Frankfurter Allgemeine Zeitung 20091118