Read more
Der Kapitalismus ist eine Institution des Vertrauens. Ich kann in die Kirche gehen, auch wenn ich vielleicht so meine Zweifel habe, ob Jesus tatsächlich fünf Laib Brot in Speise für 5.000 Menschen verwandelt hat. Aber wenn ich 5 Dollar verleihe, dann muss ich glauben, dass ich 5.000 zurückbekomme. Marcia Pally beschreibt das Absurde, das Paradoxe, das Verrückte und das Bewegende in Amerika und in Deutschland unserer Zeit. Sie hat das Oval Office als Kulisse für Reagan und Obama beobachtet. Sie hat den Checkpoint Charlie als letztes Symbol des Guten Amerikaners erlebt und als ersten Schauplatz eines "Russian-émigré tourist-junk"-Kapitalismus. Als konsequente Satirikerin beobachtet sie den amerikanischen "Medizin-Tourismus" für Ausländer mit Krankenversicherung, während sich die Amerikaner diese selbst nicht leisten können: "Das Bein soll amputiert werden? Wie wäre es denn mit einer Pediküre für das andere?" Gartenkataloge, die in ihrem winzigen New Yorker Apartment eintreffen, kommentiert sie: "Wenn ich Engel wollte, die pinkeln können, würde ich mir einen inkontinenten Freund zulegen." Die Liebeserklärungen aus Manhattan und Kreuzberg sind Herausforderung und Liebesbrief zugleich, in Form von Spitzen, Verspottung und scharfsinnigen Analysen der Politik, der Sprache, des Geldes und der Klempnerei in beiden Ländern - neben anderen Bedürfnissen des Lebens.
About the author
Marcia Pally ist Professorin für Multilingual Multicultural Studies an der New York University und Permanent Fellow am New York Institute for the Humanities. Im Jahre 2007 war sie Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Sie schreibt für die ZEIT, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Rundschau und die taz.