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Der Name Hieronymus Lotter ist seit dem späten 19. Jahrhundert eine feste Größe in der Leipziger Kultur- und Baugeschichte. Als Bau- und Bürgermeister gilt er der örtlichen Kulturhistoriographie zufolge als der bedeutendste Renaissance-Architekt der Stadt. Zu seinem Oeuvre wurden (und werden z. T. noch heute) das Alte Rathaus und die Festung Pleißenburg in Leipzig, das Jagdschloss Augustusburg bei Chemnitz und das Pegauer Rathaus gezählt. Die inhaltlich komplex angelegte Arbeit geht der Frage nach, inwieweit Lotter als Baumeister und Autor der ihm vorbehaltlos in der Forschung zugeschriebenen Bauten in Frage kommt, mit welchem für seine Zeit durchaus legitimen Anspruch er diese Autorenschaft behauptet hat und wie sich in der lokalen Kulturgeschichte der noch heute eifrig gepflegte, weil touristisch gut vermarktbare Lokalmythos vom Bürgermeister und Baumeister Lotter etablierte. Unter Einbeziehung und erneuter kritischer Überprüfung aller relevanten Quellen, eingehender Betrachtung der mit Lotters Namen verbundenen Bauwerke und Auswertung der einschlägigen Forschungsliteratur kommt der Verfasser zu einer sachlich begründeten partiellen Revision des Lotterbildes. Immer strikt am Material entwickelt der Verfasser seine These, dass Lotter weder seiner Profession noch seiner Qualifikation nach ein Architekt im heutigen Sinne des Wortes war. Lotters Kompetenzen und Verdienste im Baugeschehen lagen vielmehr in den Funktionen als Bauherr oder Bauleiter. Als entwerfender Architekt kommt Lotter nicht für einen einzigen der ihm zugeschriebenen Bauten in Betracht. Die Arbeit stellt zugleich einen forschungsgeschichtlich höchst aufschlussreichen, mehr als hundert Jahre umfassenden Querschnitt durch die lokale und regionale Kunstgeschichtsschreibung dar.
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