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Vor Kant, Schiller und Gautier und radikaler als sie formulierte Karl Philipp Moritz die ästhetische Autonomie: Was schön ist, muss nicht auch noch nützlich sein. Und was nicht nützlich ist, ist oft allein deshalb schön. Der Band versammelt alle wichtigen Schriften Moritz' zum Thema und erlaubt es so, die Entwicklung des Gedankens leicht nachzuvollziehen. Nebenbei erweist sich, dass die angeblich so unpolitische und unhistorische Autonomieästhetik eng mit der Entstehung des kapitalistischen Kulturbetriebs verbunden ist. Denn Moritz war keineswegs ein ätherischer Schöngeist, sondern ein aus Not viel zu viel schreibender Journalist, eine gelehrte Honorarkraft, ein Herausgeber von Zeitschriften, ein eiliger Verfasser von Ratgebern und Reiseführern, Grammatiken und Kinderbüchern. Ein abhängiger Kulturarbeiter entwarf die unabhängige Kunst. Der Band enthält: 'Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten' (1785), 'Das Edelste in der Natur' (1786), 'Über die bildende Nachahmung des Schönen' (1788), 'Die Signatur des Schönen' (1788/89), 'Die metaphysische Schönheitslinie' (1793) sowie ein ausführliches Nachwort des Herausgebers nebst Bibliografie.
About the author
Karl Philipp Moritz, 15. 9. 1756 Hameln - 26. 6. 1793 Berlin. Armut und ein zu quietistischen bzw. pietistischen Zirkeln neigendes, religiös zerstrittenes Elternhaus prägten Moritz' Kindheit. 1763 zog die Familie nach Hannover. Der Vater, Militärmusiker, übernahm zunächst Moritz' Erziehung; dann gab er ihn zu einem quietistischen Hutmacher in Braunschweig in die Lehre. Nach einem Selbstmordversuch als Folge fortdauernder qualvoller Unterdrückung kehrte Moritz nach Hannover zurück und konnte, unterstützt durch Stipendien und Freitische, 1771-76 das Gymnasium besuchen. Nach vergeblichen Versuchen, Schauspieler zu werden, einem abgebrochenen Theologiestudium und kurzer Lehrtätigkeit in Potsdam erhielt er 1778 eine Stelle am angesehenen Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin (1784 Gymnasialprofessor). 1779 wurde er Freimaurer; es entwickelten sich Beziehungen zu Berliner Aufklärern (u. a. Moses Mendelssohn). 1782 unternahm er eine Englandreise, 1786 gab er den Schuldienst auf und reiste nach Italien (1786-88). Hier kam es zur engen Freundschaft mit Goethe. Nach einem Aufenthalt in Weimar im Winter 1788-89 begleitete er Herzog Karl August nach Berlin. Durch dessen Vermittlung wurde er 1789 zum Professor der Theorie der schönen Künste an der Akademie der Künste ernannt. Es folgten 1791 die Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften und die Ernennung zum Hofrat, 1792-93 Heirat, Scheidung und Wiederverheiratung innerhalb von neun Monaten. Wenig später starb Moritz an einem chronischen Lungenleiden.
Stefan Ripplinger lebt in Berlin und arbeitet als Journalist, Herausgeber und Übersetzer für Zeitschriften wie "Schreibheft" und "konkret" sowie für "Die Andere Bibliothek".