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Die frühen, erstmals 1932 aus dem Nachlass publizierten »Ökonomisch-philosophischen Manuskripte« (auch: Pariser Manuskripte) bieten einen Schlüsseltext für das philosophische Verständnis des Marxschen Gesamtwerks, der Antrieb und Zielpunkt seines Denkens offenlegt, also das benennt, was in den ökonomischen Analysen der späteren Zeit vorausgesetzt, aber nicht mehr ausgesprochen wird.Der Wille, der sich in Marxens Frühschrift offenbart, kann umfassender kaum gedacht werden: Es geht nicht bloß um die Analyse einer bestimmten Gesellschaftsform, um eine Kritik bestehender Verhältnisse, um den Entwurf einer möglichen Alternative. Es geht vielmehr um die Erklärung der Welt, und mehr noch: um die Schaffung einer ganz neuen Welt und eines neuen Menschen. Alles Bisherige verfällt dem Verdikt, Theorie und Praxis werden verworfen. Das gleißende Licht der neuen, der schlechthinnigen Wahrheit erhellt das frühere Dunkel und läßt mit einem Mal erkennen, dass es bislang nur die Vorgeschichte der menschlichen Gattung war, an der die Menschen in ihrer Blindheit Genüge fanden. Die eigentliche Geschichte kann jetzt erst beginnen; es ist der Anfang einer neuen Zeitrechnung.Ein solcher Anspruch muss philosophisch ernst genommen und auf seine Berechtigung hin geprüft werden. Diejenigen, welche Marx leichter Hand als anachronistisch verabschieden, übersehen vielleicht dasjenige an ihm, was jenseits des Zeitgebundenen philosophisch von Bedeutung ist - z.B. sein Weltverhältnis und Menschenbild. Und diejenigen, welche in der Absicht, Marx für die Gegenwart zu retten, Versatzstücke aus seiner Theorie herausbrechen, die sie für noch verwertbar halten, verraten de facto seinen holistischen Denkansatz.
About the author
Karl Marx (1818-83) Der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus entwickelte nach Lektüre der französischen Frühsozialisten, der britischen Nationalökonomie und des Materialismus von Ludwig Feuerbach die Grundzüge eines philosophischen und ökonomischen Systems. Zusammen mit Friedrich Engels entwickelte er die revolutionäre soziale Philosophie, bekannt als Marxismus.
Barbara Zehnpfennig, geb. 1956; Studium der Philosophie, Soziologie, Germanistik und Geschichte in Berlin; 1983 Promotion; ab 1984 Lehrtätigkeit an der Freien Universität und der Hochschule der Künste in Berlin; ab 1991 wissenschaftliche Assistentin am Institut für Politikwissenschaft der Universität der Bundeswehr Hamburg, seit 1999 Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Passau. Arbeitsgebiete: politische Philosophie, antike Philosophie und deutscher Idealismus, amerikanische Verfassungstheorie, Nationalsozialismus.