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Dem Grossbürgersohn Gmür (1908-1979) war eine solche Karriere nicht in die Wiege gelegt worden. Ungewöhnlich war seine frühe Ehe mit einer Frau ostjüdischer Herkunft, Gena Esther. Ungewöhnlich auch sein politischer Weg nach links, der ihn während der 1930er Jahre zu den Gewerkschaften und zur Sozialdemokratie führte und dann zu den Kommunisten. Das pressepolitisch gewagte Experiment der Wochenzeitung «ABC» von 1937/38, ein antifaschistisches Forum linker Schweizer Autoren und deutscher Emigranten, konnte sich nicht behaupten. Seither wurde Gmür kontinuierlich von der schweizerischen Bundespolizei überwacht. Nach 1945 zerschlug sich der Traum von einer neuen schweizerischen Linkspartei trotz beachtlicher Anfangserfolge der Partei der Arbeit (PdA). Infolge des Kalten Kriegs geriet Gmür ins Abseits einer tiefen politischen und persönlichen Isolation. Die verdeckte, 1958 beginnende Tätigkeit für die Ostberliner «Weltbühne» kam einer Rettung gleich. Getarnt durch Pseudonyme, um die Familie vor weiterer Diskriminierung zu schützen, verfasste er als Schweizer Afrikakenner «Stefan Miller» Hunderte von Reportagen und Kommentaren für die «Weltbühne». Daraus entstanden fünf Bücher, die in Verlagen der DDR erschienen: drei über Afrika, je eines über Spanien und über Griechenland. In der DDR, wo er nie gelebt hat, war «Miller» hoch geschätzt. In der Schweiz war er nur der Polizei bekannt. Insbesondere seine Texte aus dem in die Unabhängigkeit aufbrechenden Afrika sind spannende und engagierte Dokumente. Das Buch enthält einen Biographieteil von Markus Bürgi und Mario König sowie ausgewählte politische Kommentare und Reportagen von Harry Gmür/Stefan Miller, die es wert sind, der Vergessenheit entrissen zu werden.
List of contents
- Beiträge von Harry Gmür für die Wochenzeitung «ABC» 1937/38 (Auswahl)
- Schielende Neutralität
- Schuharbeiter im Streik
- Russische Diktatur und Freiheitsbewegung
- Demokratie in der Defensive
- Eidgenössische Hilfe für die Völkerbundsfeinde?
- Reportagen von «Stefan Miller» aus der «Weltbühne» (Auswahl)
- Republik Guinea 1959
- Kenya 1962: Bei Odinga in Kisumu
- Nigeria 1964 in Lagos König von Benin
- Port Harcourt
- Guinea 1976 die letzte Reise
About the author
Dr. Mario König ist freischaffender Historiker und Publizist.
Summary
Harry Gmür: Ein zerrissenes Leben im Zeichen der politischen Stürme und Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Dem Grossbürgersohn war sein Weg als politischer Journalist und Aktivist nicht in die Wiege gelegt worden. Früh wandte er sich politisch nach links, Ende der 1930er Jahre wurde er Kommunist. Kalter Krieg und Antikommunismus liessen seine Hoffnungen scheitern und drängten ihn in eine tiefe politische und persönliche Krise.
Noch heute bemerkenswert ist die von ihm 1937/38 herausgegebene Wochenzeitung 'ABC', ein antifaschistisches Forum linker Schweizer Autoren und deutscher Emigranten. Ab 1958 bietet ihm die 'Weltbühne' (DDR) eine neue Publikationsmöglichkeit. Als 'Schweizer Afrikakenner Stefan Miller' verfasste er in ihrem Auftrag Hunderte von Reportagen und Kommentaren. In der DDR, wo er nie gelebt hat, war er hoch geschätzt. In der Schweiz war der Autor Gmür vor allem der Polizei bekannt, die ihn jahrzehntelang observierte.
Der Band vereint Biographie sowie politische Kommentare und Reportagen von Harry Gmür, die es wert sind, der Vergessenheit entrissen zu werden.