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Ende 1868 treffen Nietzsche und Wagner erstmals zusammen; ein halbes Jahr später, Pfingsten 1869, besucht Nietzsche Richard Wagner und Cosima von Bülow in deren Haus in Tribschen bei Luzern. Dies ist der Beginn einer intimen Freundschaft - und eine der kulturhistorisch bedeutsamsten Dreierkonstellationen. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich fast eine Vater-Sohn-Beziehung, bis sich in den Jahren 1874 / 75 eine zunehmende Distanz abzeichnet; mit dem Erscheinen von Menschliches, Allzumenschliches kommt es zur schroffen Gegnerschaft, die in Nietzsches Wagner-Polemiken gipfelt.
Die Entzweiung mit Nietzsche ist die wohl tiefste menschliche Enttäuschung in Wagners Leben gewesen, seine größte Niederlage. Hatte er doch noch nach der Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses an Nietzsche geschrieben: »Genau genommen sind Sie, nach meiner Frau, der einzige Gewinn, den mir das Leben zugeführt.« Und auch Nietzsche, der die Tribschener Jahre immer wieder als die glücklichste Zeit seines Lebens bezeichnet, hat die Trennung von Wagner und Cosima nie verwunden. Sosehr er in ihr die verhängnisvolle Repräsentantin des über den eigentlichen Wagner Herr gewordenen Wagnerianismus sah, nennt er sie »das einzige Weib größeren Stils, das ich kennen gelernt habe«. Und Wagner bleibt ihm die größte - wenn auch fragwürdigste - Gestalt des Zeitalters.
About the author
Dieter Borchmeyer, geb. 1941, lehrt Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an der Universität Heidelberg. Zahlreiche Publikationen und Editionen auf dem Gebiet der deutschen Literatur- und Theatergeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts.§
Summary
Ende 1868 treffen Nietzsche und Wagner erstmals zusammen; ein halbes Jahr später, Pfingsten 1869, besucht Nietzsche Richard Wagner und Cosima von Bülow in deren Haus in Tribschen bei Luzern. Dies ist der Beginn einer intimen Freundschaft – und eine der kulturhistorisch bedeutsamsten Dreierkonstellationen. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich fast eine Vater-Sohn-Beziehung, bis sich in den Jahren 1874 / 75 eine zunehmende Distanz abzeichnet; mit dem Erscheinen von
Menschliches, Allzumenschliches
kommt es zur schroffen Gegnerschaft, die in Nietzsches Wagner-Polemiken gipfelt.
Die Entzweiung mit Nietzsche ist die wohl tiefste menschliche Enttäuschung in Wagners Leben gewesen, seine größte Niederlage. Hatte er doch noch nach der Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses an Nietzsche geschrieben: »Genau genommen sind Sie, nach meiner Frau, der einzige Gewinn, den mir das Leben zugeführt.« Und auch Nietzsche, der die Tribschener Jahre immer wieder als die glücklichste Zeit seines Lebens bezeichnet, hat die Trennung von Wagner und Cosima nie verwunden. Sosehr er in ihr die verhängnisvolle Repräsentantin des über den eigentlichen Wagner Herr gewordenen Wagnerianismus sah, nennt er sie »das einzige Weib größeren Stils, das ich kennen gelernt habe«. Und Wagner bleibt ihm die größte – wenn auch fragwürdigste – Gestalt des Zeitalters.