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Fetischismus als allgemeines Konzept ist eine europäische Erfindung des 18. Jahrhunderts. Mit der breit rezipierten Abhandlung "Du Culte des Dieux Fétiches" (1760) führt Charles de Brosses das Abstraktum fétichisme ein und generalisiert den Begriff des Fetischs bis dahin nur für afrikanische Kultobjekte gebraucht zu einem Konzept, das einheimische Gegenstände, insbesondere Amulette und Talismane, einschließt. Die Verallgemeinerung hebt eine Verbannung des Fetischs ins ferne Afrika zu den Praktiken exotischer Anderer prinzipiell auf, rückt ihn in den Kontext der eigenen Kultur bzw. Geschichte und prädestiniert ihn zur Übertragung in andere Wissensfelder wie Philosophie und Ästhetik. Die Arbeit untersucht aus interdisziplinärer und komparatistischer Perspektive mit deutschsprachigem Schwerpunkt, wie Figuren des Fetischs als Skandalon und/oder Faszinosum in religionsgeschichtlichen, anthropologischen, theologischen, philosophischen und kunsttheoretischen, vor allem aber in literarischen Texten um 1800 imaginiert werden. Als konstitutiv erweisen sich die beiden Spannungsfelder von Aufklärung und Aberglauben bzw. Gegenständlichkeit mit und ohne Zeichenfunktion. Diese Oppositionen werden anhand der erschriebenen Fetische, Amulette und Talismane nicht nur (re-)produziert oder gefestigt, sondern auch problematisiert oder überwunden zumal durch spezifisch literarische Textverfahren.
About the author
Christine weder, geb. 1974, Dr. phil. (Zürich), M. Phil. (Cambridge). Zur Zeit Postdoc-Assistentin am Deutschen Seminar der Universität Basel. Forschungsschwerpunkte: Literatur und Wissenschaft um 1800; Ethnologie und Literatur; Literatur und Sexualität.