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In dieser Studie untersucht Astrid Mignon Kirchhof das Verhältnis von Mensch und Natur im Sozialismus - spezifisch in der DDR - anhand naturethischer Konzepte über 'gute' Lebensführung. Dabei wird der Antagonismus zwischen dem Technikfetischismus der SED und einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Technik- und Modernisierungskritik der Naturschützer:innen analysiert.Während die SED der Natur einen ökonomischen und politischen Nutzwert zuschrieb, lehnten es in dieser Studie als 'gegenweltlich' definierte Naturschützer:innen zunehmend ab, die Natur als Gebrauchsobjekt zu betrachten, und sprachen ihr einen intrinsischen Wert zu. Durch diesen Gegensatz anthropozentrischer und physiozentrischer Sichtweisen ergab sich die Unvereinbarkeit naturethischer Konzepte einer 'guten' Lebensführung. Die Naturschützer:innen zogen sich ab den 60er Jahren zwar in gegenweltliche Sphären zurück, verloren indes nicht den Glauben an den Sozialismus als die für den Naturschutz geeignetere Weltanschauung im Vergleich zum Kapitalismus. Die Forderungen der gegenweltlichen Anhänger:innen wurden von einzelnen Personen durch Ideentransfer in die erstarkende DDR-Umweltbewegung der 1980er-Jahre vermittelt, sodass Projekte entstanden, die die DDR überlebten. Eine Natursicht, wie sie von einer Randgruppe der DDR-Bürger:innen vertreten wurde, hat in vielen Ländern als ein nach wie vor gültiges Ideal vom 'guten Leben' im Einklang mit der Natur überlebt und wird heute mit Teilen der sozialistischen Idee im sogenannten Ökosozialismus erneut zusammengedacht.
About the author
Astrid Mignon Kirchhof ist Scholar in Residence am Deutschen Museum in München. Ihre Forschung umfasst die transnationale deutsch-deutsche Geschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts in ihren globalen Dimensionen an der Schnittstelle von Sozial-, Umwelt-, Wirtschafts-, Stadt- und Geschlechtergeschichte sowie Science and Technology Studies.
Summary
In dieser Studie untersucht Astrid Mignon Kirchhof das Verhältnis von Mensch und Natur im Sozialismus – spezifisch in der DDR – anhand naturethischer Konzepte über ‚gute‘ Lebensführung. Dabei wird der Antagonismus zwischen dem Technikfetischismus der SED und einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Technik- und Modernisierungskritik der Naturschützer:innen analysiert.
Während die SED der Natur einen ökonomischen und politischen Nutzwert zuschrieb, lehnten es in dieser Studie als ‚gegenweltlich‘ definierte Naturschützer:innen zunehmend ab, die Natur als Gebrauchsobjekt zu betrachten, und sprachen ihr einen intrinsischen Wert zu. Durch diesen Gegensatz anthropozentrischer und physiozentrischer Sichtweisen ergab sich die Unvereinbarkeit naturethischer Konzepte einer ‚guten‘ Lebensführung. Die Naturschützer:innen zogen sich ab den 60er Jahren zwar in gegenweltliche Sphären zurück, verloren indes nicht den Glauben an den Sozialismus als die für den Naturschutz geeignetere Weltanschauung im Vergleich zum Kapitalismus. Die Forderungen der gegenweltlichen Anhänger:innen wurden von einzelnen Personen durch Ideentransfer in die erstarkende DDR-Umweltbewegung der 1980er-Jahre vermittelt, sodass Projekte entstanden, die die DDR überlebten. Eine Natursicht, wie sie von einer Randgruppe der DDR-Bürger:innen vertreten wurde, hat in vielen Ländern als ein nach wie vor gültiges Ideal vom ‚guten Leben‘ im Einklang mit der Natur überlebt und wird heute mit Teilen der sozialistischen Idee im sogenannten Ökosozialismus erneut zusammengedacht.
Foreword
Diese Studie zeigt, wie Naturschützer:innen in der DDR mit den Vorhaben der SED-Parteiführung kollidierten, welche die Natur primär für ökonomische Zwecke instrumentalisieren wollte.