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Welche Formen kann Lyrik finden, um Kriegserfahrung literarisch zu modellieren? Und wie lassen sich diese Ausdrucksformen vergleichend analysieren, ohne das Spezifische der einzelnen Stimmen zu nivellieren? Ausgehend von einem breiten, mehrsprachigen Korpus europäischer Kriegslyrik des 20. Jahrhunderts - französisch-, englisch-, deutschsprachig, spanisch und italienisch - entwirft Florian Lützelberger ein dynamisches System von "Familienähnlichkeiten", das Kriegsgedichte schreibender Soldaten in ihren ästhetischen, ideologischen und emotionalen Dimensionen vergleichbar macht. Ein innovatives Analysemodell fasst typologisch zentrale Topoi wie das lyrische Ich im Krieg, Natur und Raum, Heimat und Feindbild, Religion und Feldpost sowie körperliche Versehrtheit und stellt sie in ein intertextuelles Netz. Angewandt wird es exemplarisch auf drei zentrale Gedichtzyklen: Guillaume Apollinaires 'Calligrammes', Miguel Hernández' 'Viento del pueblo' und Franz Fühmanns 'Die Fahrt nach Stalingrad'. Abschließend weitet sich der Blick auf aktuelle Kriege und ihre literarische Produktion - etwa in der Ukraine oder im Nahen Osten - und diskutiert die Möglichkeiten und Grenzen einer überzeitlichen, vergleichenden Kriegslyrikforschung. Ein grundlegender Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Kriegsforschung, zur Ästhetik des Extrems - und zur Poetik des Überlebens.