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Die nationalsozialistische Verfolgung bedrohte die deutschen Jüdinnen und Juden in sich steigernden Formen, durch soziale, kulturelle und ökonomische Ausgrenzung, Emigration oder Zwangsumsiedlung, Zwangsarbeit, Deportation und Konzentrationslager. Auch ihre Erfahrung von Raum und Zeit veränderte sich dadurch tiefgreifend. Jüdinnen und Juden waren mit einer immer stärkeren Einengung des Lebens, einem Mangel an Möglichkeiten, ihre Zeit zu planen und zu gestalten, und den Schwierigkeiten des Wartens auf das Unbekannte konfrontiert. Wie gingen sie mit dem Ausschluss aus der Öffentlichkeit um? Wie wurde ihr Gemeinschaftsleben neu organisiert und welche Veränderungen fanden im Privaten statt? Wie wirkte sich ihre zunehmende Not auf die Art und Weise aus, wie sie den Lauf der Zeit erlebten?
Ausgehend von privaten Zeugnissen (Tagebücher, Korrespondenzen und Memoiren) und öffentlichen Quellen (jüdische Zeitungen und Zeitschriften) rekonstruiert und analysiert Guy Miron den gelebten Raum und die gelebte Zeit während der NS-Verfolgung. So bietet sich ein neuer Blick auf das Leben der deutschen Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus. Miron zeigt, welche Strategien und Praktiken sie entwickelten, um mit der neuen Realität fertig zu werden, um mit dem immer kleiner werdenden Zugang zum öffentlichen Raum umzugehen und im Gegenzug den traditionellen jüdischen Raum gewissermaßen neu zu erfinden, neue Interpretationen der Vergangenheit zu schaffen und ihre Haltung gegenüber ihrer deutschen Identität zu überdenken.
Die sich dabei zugleich entwickelnden jüdischen Raum- und Zeiterfahrungen bestimmten die existenziellen Horizonte und die Alltagspraxis der jüdischen Gemeinschaft. Ihre Praktiken brachten dabei, wie Miron zeigt, die kontinuierliche Bindung der deutschen Jüdinnen und Juden an Schlüsselelemente des deutschen bürgerlichen Habitus als auch ihren Kampf um die Aufrechterhaltung jüdischer Handlungsfähigkeit und eines jüdischen Widerstands unter der nationalsozialistischen Verfolgung zum Ausdruck.
About the author
Guy Miron ist Professor für jüdische Geschichte an der Open University of Israel. Er ist außerdem Direktor des Forschungszentrums für das Studium des Holocaust in Deutschland in Yad Vashem, Jerusalem. Seine Forschungsschwerpunkte sind die deutsche und mitteleuropäische jüdische Geschichte. Zu seinen Veröffentlichungen gehören ¿'¿¿' ¿'¿¿¿' ¿¿¿¿ ¿¿¿¿¿. ¿¿¿¿¿¿¿¿¿¿¿ ¿¿ ¿¿¿¿¿ ¿¿¿¿¿¿ ¿¿¿¿¿¿ (
German Jews in Israel. Memories and Past Images, Magnes 2004);
The Waning of the Emancipation. Jewish History, Memory, and the Rise of Fascism in Germany, France, and Hungary (Cambridge UP 2011); und gemeinsam mit Scott Ury herausgegeben
Antisemitism and the Politics of History (U of Chicago Press 2024).