Read more
Summary
Die Habilitation untersucht die strafrechtliche Verantwortung beim Zusammenwirken von Mensch und Maschine. Gestützt auf die soziologische und strafrechtliche Handlungstheorie sowie auf empirische Studien arbeitet sie heraus, wie sich Technikeinsatz und Technisierung in der Handlungszurechnung niederschlagen. Handlungen vollziehen sich im soziotechnischen Kontext nicht nur als situative direktkausale Steuerung. Die Steuerung des Geschehens erfolgt vermehrt vorgelagert strukturell oder mittelbar. Der normative strafrechtliche Handlungsbegriff vermag die Erfassung auch solcher Handlungsmodi grundsätzlich zu leisten. Herausforderungen ergeben sich hingegen, wo Handlungsmacht gänzlich abgetreten wird oder durch Desorganisation nicht zurechenbare systemische Effekte emergieren. Es drohen eine Verantwortungserosion und die Verschärfung von Zurechnungsschwierigkeiten in komplexen wirtschaftlichen Kontexten. Im Sinne des Rechtsgüterschutzes ist eine Rechtsfortentwicklung ins Auge zu fassen. Neben der Verfeinerung der bestehenden Zurechnungslehre im Individual- und Kollektivstrafrecht, diskutiert die Untersuchung insbesondere die Ausweitung der Rechtsfigur der actio libera in causa, die Begründung von Garantenpflichten beim Eingehen bedingt erlaubter technischer Risiken sowie die Schaffung eines eigentlichen Automationsdelikts. Im Vordergrund stehen die Pflichten, Automation sorgfältig zu gestalten und Handlungsmacht nicht ungerechtfertigt an Maschinen abzutreten. Menschen sind in der Verantwortung zu halten. Das Werk will dazu einen Beitrag leisten und durch die Verfeinerung der Handlungslehre deren kriminalpolitische Potenziale offenlegen. Da die Handlungslehre die Verantwortungszuschreibung in allen deutschsprachigen Rechtsordnungen anleitet, erlangen die Erkenntnisse nicht nur für die Schweiz, sondern ebenso für Deutschland und Österreich Bedeutung im Diskurs rund um Fragen der Verantwortlichkeit für moderne Technologie.