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Zu Friedrich Nietzsches prägendem Einfluss auf Thomas Manns gesamtes Schaffen.Seit den literarischen Anfängen kann man Thomas Mann im Lichte Nietzsches lesen. Beide teilen das Erlebnis Schopenhauer, die Spannung zwischen Leben und Geist. Schon Tonio Kröger verdankt seine ästhetische Kontur dem Philosophen, ebenso prägt dessen Skepsis die späteren Betrachtungen eines Unpolitischen, so im Willen zum offenen Glauben.Das ambivalente Bild Nietzsches, das zwischen Aufklärer und Prophet changiert, akzentuiert Thomas Mann über die Jahre von Weimarer Republik und Nationalsozialismus in Romanen, Erzählungen und Essays immer wieder neu.Der Zauberberg wäre ohne den modernen Nihilismus nicht denkbar, die mythischen Josephs-Romane leben mit von Nietzsches Tiefenpsychologie. Betont kritisch spiegelt Doktor Faustus die weltanschauliche Besessenheit zwischen Genie und Wahnsinn.Die Distanz zum späten Nietzsche speist sich aus Thomas Manns religiösem Humanismus, wie der ideengeschichtliche Essay besonders im Blick auf Goethe zeigen will. Aber der Weimarer Klassiker steht ebenso für die nietzscheanische Idee der Maske, die Thomas Mann in ihrer spielerischen Vieldeutigkeit besonders schätzt. Lebenslang entzieht er im Schreiben seine tiefsten Überzeugungen geheimnisvoll dem zudringlichen Blick, gleich Kulissen, die beständig zurückweichen.
About the author
Matthias Bormuth, geb. 1963, Professor für Vergleichende Ideengeschichte an der Universität Oldenburg.
Veröffentlichungen u. a.: Editionen zu Hannah Arendt, Erich Auerbach, Karl Jaspers und Max Weber. Zuletzt: »Hannah Arendt und Karl Jaspers. Versuch über die geistige Situation« (2023); Das Geisterreich. Kant und die Folgen (2021); Die Freiheit zum Tode. Versuch über Wolfgang Herrndorf (2021); Werner Tübke, »Wer bin ich?« (Mithg., 2021); Wir modernen Menschen. Über Max Weber (2020); Erich Auerbach - Kulturphilosoph im Exil (2020); Werdegänge. Ideengeschichte in Gesprächen (2019); Offener Horizont. Jahrbuch der Karl Jaspers-Gesellschaft (2014ff.).
Summary
Zu Friedrich Nietzsches prägendem Einfluss auf Thomas Manns gesamtes Schaffen.
Seit den literarischen Anfängen kann man Thomas Mann im Lichte Nietzsches lesen. Beide teilen das Erlebnis Schopenhauer, die Spannung zwischen Leben und Geist. Schon Tonio Kröger verdankt seine ästhetische Kontur dem Philosophen, ebenso prägt dessen Skepsis die späteren Betrachtungen eines Unpolitischen, so im Willen zum offenen Glauben.
Das ambivalente Bild Nietzsches, das zwischen Aufklärer und Prophet changiert, akzentuiert Thomas Mann über die Jahre von Weimarer Republik und Nationalsozialismus in Romanen, Erzählungen und Essays immer wieder neu.
Der Zauberberg wäre ohne den modernen Nihilismus nicht denkbar, die mythischen Josephs-Romane leben mit von Nietzsches Tiefenpsychologie. Betont kritisch spiegelt Doktor Faustus die weltanschauliche Besessenheit zwischen Genie und Wahnsinn.
Die Distanz zum späten Nietzsche speist sich aus Thomas Manns religiösem Humanismus, wie der ideengeschichtliche Essay besonders im Blick auf Goethe zeigen will. Aber der Weimarer Klassiker steht ebenso für die nietzscheanische Idee der Maske, die Thomas Mann in ihrer spielerischen Vieldeutigkeit besonders schätzt. Lebenslang entzieht er im Schreiben seine tiefsten Überzeugungen geheimnisvoll dem zudringlichen Blick, gleich Kulissen, die beständig zurückweichen.