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Politik galt lange Zeit als das beste Heilmittel gegen die ideologische Umklammerung von Sein und Bewusstsein. Dass die Politik selbst zur Ideologie werden könne, wusste nur der jeweilige politische Gegner. Im heutigen Erfolg ihrer administrativen, akademischen und aktivistischen Formen ist jedoch eine ideologische Dimension der Politik unübersehbar geworden. Sie zeigt sich gerade im Drang zur Beantwortung der Frage, was aktuell zu tun sei, also im Versuch, die Politik als reines Mittel für den guten Zweck einzuspannen. Damit verstellt sie zugleich den Blick auf die strukturellen Voraussetzungen der je eigenen Aussageposition. Politik ist also nicht einfach die Lösung, sondern stets auch ein Teil des Problems, das die Linke seit geraumer Zeit heimsucht. Um dieses Problem anzugehen, bedarf es eines anderen Verständnisses von Politik, nicht als reines Mittel, sondern als Zweck an sich selbst. Das heißt, Politik muss als spezifische symbolische Form verstanden werden, wie sie sich im Rahmen der symbolischen Ordnung der Moderne herausgebildet hat. Erst von hier aus können ihre Einsätze zwischen Inhalt und Form kritisch reflektiert, ihre vielfältigen Widersprüchlichkeiten und Aporien gedacht und eine Differenz zur ideologischen Erscheinungsweise von Politik behauptet werden.
About the author
Helmut Draxler ist Kunsthistoriker und Kulturtheoretiker. Von 1992 bis 1995 war er Direktor des Kunstvereins in München. An der Merz Akademie, Hochschule für Kunst, Design und Medien in Stuttgart (1999-2012), an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg (2013- 2014) und schließlich an der Universität für Angewandte Kunst in Wien (2014-2023) hatte er jeweils eine Professur für Kunsttheorie inne. Den Schwerpunkt seiner Arbeit stellen die Schnittpunkte zwischen Kunst, Politik, Philosophie und Psychoanalyse dar.
Publikationen: Gefährliche Substanzen. Zum Verhältnis von Kritik und Kunst, Berlin (b_books) 2007; Abdrift des Wollens. Eine Theorie der Vermittlung, Wien, Berlin (Turia+ Kant) 2017; Die Wahrheit der Niederländischen Malerei. Eine Archäologie der Gegenwartskunst, Paderborn (Brill/Fink) 2021; A Sense for Projects. The Problem of the Public and Contemporary Art (in Vorbereitung).
Summary
Politik galt lange Zeit als das beste Heilmittel gegen die ideologische Umklammerung von Sein und Bewusstsein. Dass die Politik selbst zur Ideologie werden könne, wusste nur der jeweilige politische Gegner. Im heutigen Erfolg ihrer administrativen, akademischen und aktivistischen Formen ist jedoch eine ideologische Dimension der Politik unübersehbar geworden. Sie zeigt sich gerade im Drang zur Beantwortung der Frage, was aktuell zu tun sei, also im Versuch, die Politik als reines Mittel für den guten Zweck einzuspannen. Damit verstellt sie zugleich den Blick auf die strukturellen Voraussetzungen der je eigenen Aussageposition. Politik ist also nicht einfach die Lösung, sondern stets auch ein Teil des Problems, das die Linke seit geraumer Zeit heimsucht. Um dieses Problem anzugehen, bedarf es eines anderen Verständnisses von Politik, nicht als reines Mittel, sondern als Zweck an sich selbst. Das heißt, Politik muss als spezifische symbolische Form verstanden werden, wie sie sich im Rahmen der symbolischen Ordnung der Moderne herausgebildet hat. Erst von hier aus können ihre Einsätze zwischen Inhalt und Form kritisch reflektiert, ihre vielfältigen Widersprüchlichkeiten und Aporien gedacht und eine Differenz zur ideologischen Erscheinungsweise von Politik behauptet werden.