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Die Forderung nach »Verständigung mit den Arabern« war eines der herausragendsten Kennzeichen des zentraleuropäischen Zionismus - das Buch entfaltet ein Panorama von Menschen, Motiven, Konzeptionen und Hoffnungen.Verständigung« - so lautete ein verbreitetes Losungswort im zentraleuropäischen Zionismus. Dies war nicht kongruent mit dem Plädoyer für ein binationales Gemeinwesen, das viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Anja Siegemund weitet den Blick auf »Verständigungszionismus« und beleuchtet dessen Gesamtgewebe in seiner Vielschichtigkeit: Wertesysteme, Kontexte und Netzwerke sowie Programmatik und Fraktionen. Sie geht den Herausforderungen und Zäsuren vom Fin de Siècle bis zur Gründung des Staates Israel sowie den politischen Engagements und Kontroversen seiner Protagonist:innen nach - nicht zuletzt deren Ambivalenzen und Unsicherheiten. Was implizierten sie mit »Verständigung«, welche Möglichkeiten sahen sie dafür, wie stellten sie sich die jüdisch-arabischen Beziehungen vor? Thematisiert werden damalige grundlegende Debatten und Konflikte, die nicht an Aktualität eingebü.t haben: um die politische Verfassung des Landes, Bevölkerungsmehrheiten,die Frage, wem das Land »gehört«, um die Verteilung von Boden und Arbeit. Gegenstand sind ebenso die Selbstverständnisse der Menschen, ihre Suche nach Zugehörigkeit, ferner ihr Ringen um eine Verbindung von Separatismus und Universalismus - und ihre Zukunftsvisionen. Diverse Forschungsdiskussionen werden adressiert, etwa darüber, ob dieser Zionismus liberal, »völkisch« oder kolonial war.
About the author
Anja Siegemund, Historikerin, ist seit 9/2015 Direktorin der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum. Von 2009 bis 2015 war sie Direktorin des Leo Baeck Instituts Jerusalem.
Veröffentlichungen, u. a.: Auseinandergelebt? Alte Bündnisse, neue Verortungen und andere Umbrüche in der Erinnerungskultur. (Persönliche) Randbeobachtungen zu den Debatten (Mithg., 2023); Gedächtnis aus den Quellen. Zur jüdischen Geschichte Berlins - Hermann Simon zu Ehren (Hg., 2021); Was bleibt von den Jeckes? Vom Suchen und von Sehnsuchtswelten (2018).
Summary
Die Forderung nach »Verständigung mit den Arabern« war ein besonderes Kennzeichen des zentraleuropäischen Zionismus – das Buch entfaltet ein Panorama von Menschen, Motiven, Konzeptionen und Hoffnungen.
Der binationale Zionismus des 20. Jahrhunderts und sein kleiner Kreis an Protagonist:innen, die für ein jüdisch-arabisches Gemeinwesens fochten, haben in der bisherigen Forschung viel Aufmerksamkeit erfahren. Anja Siegemund weitet den Blick auf den »Verständigungszionismus« aus und untersucht eine breitere, dabei keineswegs monolithische Variante des Zionismus. Sie beschreibt deren Gesamtgewebe in ihrer Vielschichtigkeit, beleuchtet Wertesysteme, Kontexte und Netzwerke, außerdem die Genese, Programmatik, Fraktionen und Differenzen des Verständigungszionismus. Sie geht den Herausforderungen, Zäsuren und Veränderungen vom Fin de Siècle bis zur Gründung des Staates Israel sowie den politischen Engagements und Kontroversen seiner Protagonist:innen nach – nicht zuletzt auch deren Ambivalenzen und Unsicherheiten. Was implizierten sie mit »Verständigung«, welche Möglichkeiten sahen sie? Thematisiert werden damalige grundlegende Debatten und Konflikte, die nicht an Aktualität eingebüßt haben: um die politische Verfassung des Landes, um Majorität und Einwanderung, um jüdische und arabische Rechte, die Verortung von Jüdinnen/Juden im Orient, um die Verteilung von Land und Arbeit. Adressiert werden u.a. die klassische Frage der Verbindung von Separatismus und Universalismus sowie diverse Forschungsdiskussionen etwa darüber, ob dieser Zionismus liberal, »völkisch« oder kolonial war.