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Ist es erlaubt, den Tod eines unschuldigen Menschen herbeizuführen, wenn der Todeserfolg nicht beabsichtigt, sondern nur billigend in Kauf genommen wird? Die der scholastischen Moraltheologie entstammende Lehre vom voluntarium indirectum (Prinzip der Doppelwirkung, »PDW«) gestattet die Todesverursachung als Nebenfolge einer intrinsisch neutralen Handlung, sofern die Absicht des Akteurs ausschließlich auf den positiven Effekt gerichtet ist und das vorhergesehene Übel durch einen schwerwiegenden Grund aufgewogen wird. Die vorliegende Arbeit gelangt zum Ergebnis, dass das PDW ein philosophisch überzeugendes Konzept und ein geradezu notwendiges Korrektiv einer jeden deontologischen Ethik darstellt. Weiterhin zeigt sie auf, dass das PDW auch in der Rechtsdogmatik Anwendung finden sollte, um neuralgische Rechtsfragen in Zusammenhang mit der indirekten Sterbehilfe, dem Kollateralschaden im Krieg, dem Flugzeugabschuss und dem Lebensnotstand einer konsistenten Lösung zuzuführen.
List of contents
A. Die indirekte Sterbehilfe: ein strafrechtsdogmatischer FremdkörperDer Grundsatz des absoluten Lebensschutzes - Die dogmatische Legitimation der indirekten SterbehilfeB. Das voluntarium indirectum im scholastischen SystemDie vier Voraussetzungen - Die historischen Ursprünge bei Thomas von Aquin - Der Streit um die naturnotwendigen Handlungsfolgen - Die vier Voraussetzungen im Lichte der scholastischen HandlungstheorieC. Das voluntarium indirectum in der teleologischen MoraltheologieDas Naturrecht in teleologischer Kritik - Naturwidrigkeit und Vernunftwidrigkeit als Kriterien der intrinsischen ImmoralitätD. Die Rezeption des Doppelwirkungsprinzips in der säkularen EthikDie Trolley-Kasuistik - Die Verkennung des Handlungsobjekts - Di Nuccis »Ethics without Intention« - Das Doppelwirkungsprinzip und der KantianismusE. Die philosophische Berechtigung des DoppelwirkungsprinzipsKonsistenz - Ein Mittelweg zwischen Konsequentialismus und Kantianismus - Jenseits der HandlungsfolgenF. Die Anwendung des voluntarium indirectum in der RechtsdogmatikDer Kollateralschaden im Kriegsvölkerrecht - Problemkreise der Strafrechtsdogmatik - Der FlugzeugabschussG. Zusammenfassung und AusblickDie Integration des voluntarium indirectum: Eine subjektive Komponente? - Vorteile und Anwendungsbereiche des Doppelwirkungsprinzips - Das Doppelwirkungsprinzip im Deliktsaufbau
About the author
Anton Löhmer studied law and philosophy in Freiburg i. Brsg., Munich and Vaduz and completed his doctorate under the supervision of Prof Gunnar Duttge at the Georg-August University of Göttingen. After practising law in Munich focusing on succession planning, he has been working as a lawyer in Liechtenstein since 2022, specialising in foundation law, inheritance law and tax law. He is also interested in the relationship between theology, ethics and legal dogmatics.