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Ein Komponist, Luigi Nono, beginnt seine Partitur mit einem mehrschichtigen Vorwort, im Anschluß an einen geheimnisvollen Titel: "Fragmente - Stille, An Diotima". Er fügt diesem musikalischen Notationssystem in seiner Funktion als Spielanweisung eine weitere Anleitung hinzu: wie zu lesen sei. Zu lesen sind zunächst nicht konkret-spieltechnische Hinweise, also Noten und Vortragsanweisungen, sondern poetische Worte. Worte, die den Einstieg in die Komposition begleiten mit der Aufforderung an ihre Interpreten, sie nicht hörbar, sondern innerlich in Worten, nicht in Notation zu "singen", und zwar ganz "nach ihrem Selbstverständnis, nach dem Selbstverständnis von Klängen". Worte eines Dichters, der in seiner Sprache komponiert, selbst ganze "Partituren" schreibt: Fragmente aus Gedichten Friedrich Hölderlins, die um die Figur der Diotima kreisen. Beide, Komponist und Dichter, inszenieren die Paradoxie der Stimme, die zugleich mit allem, was sie sagt und will, auf Abwesendes, auf noch nicht und nicht mehr Aktuelles Bezug nimmt.
Report
"Über Friedrich Hölderlin und Luigi Nono ist viel geredet und geschrieben, aber nur selten so Kluges, Geistreiches und Einfühlsames mitgeteilt worden wie auf diesen knapp 200 Seiten. Was Hölderlin schweigen und Nono verstummen lässt, macht Ingrid Allwardt zum Gegenstand einer interdisziplinären Kunstbetrachtung, die ihrerseits ästhetische Qualitäten gewinnt und obendrein noch den Vorzug aufweist, die Leser und Hörer als Teil des Schaffens- und Gestaltungsprozesses zu integrieren." (Thorsten Stegemann, SWO)