Description
Product details
Authors | Helga Bürster |
Publisher | Insel Verlag |
Languages | German |
Product format | Hardback |
Released | 06.09.2023 |
EAN | 9783458643883 |
ISBN | 978-3-458-64388-3 |
No. of pages | 285 |
Dimensions | 134 mm x 216 mm x 30 mm |
Weight | 402 g |
Subjects |
Fiction
> Narrative literature
> Contemporary literature (from 1945)
Familie, Nachkriegszeit, Aberglaube, Deutschland, Moor, Norddeutschland, Hexen, Verschwörungstheorien, Atomtechnik, Hexenverfolgung, Wolfszeit, eintauchen, Luzies Erbe, Eine andere Zeit, Andere Zeit, ca. 1940 bis ca. 1949 |
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Hexen in der Nachkriegszeit
Helga Bürster erzählt von Aberglauben, Wunderglauben und Hexenglauben in einem norddeutschen Dorf, Ende der 1940er Jahre, zu einer Zeit, in der viele nicht wissen, woran sie noch - oder wieder - glauben können.
Die Dorfgemeinschaft, die sich, wie die gesamte Gesellschaft auch, kurz nach dem Trauma des zweiten Weltkrieges erst wieder in dieser neuen Welt zurechtfinden muss, ist großartig charakterisiert. In einer Zeit des Friedens, wo die äußerlichen Spuren des Krieges noch überall sichtbar sind, die inneren Spuren aber bei den meisten im Verborgenen bleiben. "Heute Weltuntergang, morgen Tanztee" beschreibt (mit wunderbarem Humor) die emotionale Verfassung der Menschen, zwischen Vergnügungen und dem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft auf der einen Seite, und der Verführbarkeit von Menschen, die nach Jahren der Diktatur und den Schrecken des Krieges die Orientierung verloren haben, auf der anderen Seite.
Die norddeutsche Mentalität und die zum Teil plattdeutschen Dialoge, zusammen mit der einsamen, mystischen Stimmung des Moors haben eine tolle Atmosphäre geschaffen, vor der die verschiedenen Charaktere, ganz besonders die starken Frauen, sehr gut zur Geltung kommen.
Dass in dieser Zeit dann Hexenglauben und Hexenverfolgung aufflammen, war mir wirklich noch nicht bewusst, obwohl es in Angesicht der gesellschaftlichen Situation sehr folgerichtig und wenig überraschend ist - für mich ein sehr spannender Ausgangspunkt für weitere Beschäftigung mit diesem Thema! -
Moorgeister der Vergangenheit
Auch in ihrem neuen Roman „Als wir an Wunder glaubten“ geht die Autorin Helga Bürster dem Thema Heimat, Verbundenheit und Zugehörigkeit sehr feinfühlig und empathisch auf den Grund – diesmal kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs in dem fiktiven ostfriesischen Dorf Unnenmoor, in dem die Bewohner mit Kriegstraumata, Armut, Moorgeister und jeder Menge Aberglaube in Zeiten großer Unsicherheit und Weltuntergangsprophezeiungen zu kämpfen haben.
Im Fokus stehen dabei dickköpfig-starke Frauen, die ohne Männer alleine auf sich gestellt versuchen, in der Dorfgemeinschaft weiterzuleben – doch ominöse Wunderheiler versprechen Heilung vom Bösen und die Verfolgung von scheinbaren Hexen hatte großen Zuspruch. So müssen sich die alte Guste sowie Betty Abels und ihre Mutter Edith neben den Bangen um die im Krieg verschollenen Männer mit übler Nachrede und gefährlicher Verfolgung auseinandersetzen. Als Annies Mann Josef ohne Beine und Erinnerung aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, überwiegt anfangs die Freude, doch auch ihn lassen die psychischen Wunden und alte Dämonen nicht los und die Suche nach der schuldigen Hexe nimmt ihren düsteren Lauf.
Mit viel Lokalkolorit und einigen plattdeutschen Dialogen zeichnet Helga Bürster mit einer mystisch-dichten Atmosphäre ein eindringliches, vom Schrecken geprägtes Bild eines seelisch zerrütteten Nachkriegsdeutschland, in dem die Menschen daran glaubten, für ihre Sünden bestraft zu werden und nicht mehr wussten, an was sie noch glauben können.
„Schließlich war Krieg gewesen und die Sünden, die begangen worden waren, wogen so schwer, dass da nichts zu vergeben war. Der Teufel würde sie alle holen. Zwar sprach das keiner laut aus, aber viele dachten so.“ S. 14
Sehr gut in Archiven recherchiert, webt die Autorin dabei subtil wahre Begebenheiten der abergläubischen Hexenverfolgung ein, was bei derzeitigen Verschwörungstheorien sehr aktuell und aufrüttelnd wirkt. Bewegend und authentisch fängt sie mit bildgewaltig-gespenstischen Szenen die große Orientierungslosigkeit und seelischen Nöte der Dorfbevölkerung ein, das lange nachhallt und doch auch einen fragilen Funken Hoffnung für eine bessere Zukunft versprüht. -
Moderne und Aberglaube
Unnenmoor im Jahre 1949: Der Krieg ist vorbei, hat aber große und schlimme Narben hinterlassen. Annie und Edith haben Einiges gemeinsam: Sie mussten ihre Kinder alleine durch den Krieg bringen, weil ihre Männer eingezogen wurden. Und nun warten beide darauf, dass ihre Männer heimkommen. Doch nur einer kommt: Josef, der Mann von Annie. Doch bis Josef weiß, dass er der Mann von Annie ist und wo er hingehört, vergehen Jahre. Er hat im Krieg nicht nur beide Beine verloren, sondern auch sein Gedächtnis. Jetzt ist er wieder zuhause und kämpft sich mühsam in seinen Alltag zurück. Sein bester Freund ist dabei der Alkohol. So wird das Leben von Annie schlimmer statt besser. Was liegt da näher, als dass sie und ihr Hof verflucht sind? Von einer Hexe? Von den Glöhnigen aus dem Moor? Ist Edith vielleicht diese Hexe? Und so sind die beiden Freundinnen von einst plötzlich bittere Feindinnen. Während der Fortschritt Einzug in Unnenmoor in Form von Strom und einem Mammut hält, verweilen die Alten noch in den Erinnerungen und Denkmustern von früher.
Helga Bürster ist es wunderbar gelungen, in ihrem Buch die Menschen aus dem Oldenburger Land zu charakterisieren. Ich lebe selber in der Ecke und habe Viele/s wiedererkannt. Ich sehe meine Oma mit ihren großen Augen direkt vor mir. Aufgewachsen im Moor hat auch sie an böse Geister geglaubt. Und Wäsche hängt man hier bis heute nicht zwischen den Jahren auf. Sehr gut gefallen haben mir auch die plattdeutschen Phrasen, die immer wieder eingestreut werden. Das verleiht den Protagonisten eine besondere Stimme und lesbar bleibt der Text trotzdem. Insgesamt lässt sich das Buch flott und gut lesen. Ich konnte es kaum beiseitelegen. Eine volle Leseempfehlung für alle, die etwas über einen Ort wissen wollen, der sonst kaum Beachtung findet.
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