Description
Product details
Authors | Birgit Birnbacher |
Publisher | Paul Zsolnay Verlag |
Languages | German |
Product format | Hardback |
Released | 20.02.2023 |
EAN | 9783552073357 |
ISBN | 978-3-552-07335-7 |
No. of pages | 192 |
Dimensions | 135 mm x 20 mm x 208 mm |
Weight | 299 g |
Subjects |
Fiction
> Narrative literature
> Contemporary literature (from 1945)
Frau, Familie, Liebe, Soziologie, Kapitalismus, Gesundheit, Arbeit, Krankenhaus, Zukunft, Freiheit, Neoliberalismus, Dorf, Österreich, Empathie, Einsamkeit, Pflege, Landleben, Mitteleuropa, Fabrik, Familienleben, Ingeborg Bachmann, Mutter, Bachmannpreis, Grundeinkommen, leichtlesen |
Customer reviews
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Beeindruckender Roman
Birgit Birnbacher erzählt in ihrem neuen Roman "Wovon wir leben" die Geschichte der 37-jährigen Julia Noch. Diese hat sich nach einer Bürolehre in einem Autohaus zur Krankenschwester ausbilden lassen und ist seither in einem Krankenhaus tätig. Durch einen fatalen Irrtum verabreicht sie einer Patientin ein Medikament, auf das diese allergisch reagiert. Die Patientin überlebt, Julia jedoch verliert nicht nur ihre Arbeit, sondern muss auch noch ihre Personalwohnung räumen. Sie ist nun arbeitslos und muss sich neu orientieren, denn als Krankenschwester möchte sie nicht mehr arbeiten. Darüber hinaus wird sie von einer asthmatischen Erkrankung gequält und versucht, sich aus einer aussichtslosen Beziehung mit einem verheirateten Arzt zu befreien.
Sie kehrt in ihren Heimatort zurück und trifft im Elternhaus nur auf ihren Vater. Die Mutter ist nach Italien gezogen und möchte sich dort ein neues Leben aufbauen. Schon bald lernt Julia den Städter Oskar Marin kennen, der sich nach einem Herzinfarkt einer Rehamaßnahme unterzieht. Sie beneidet ihn, weil er eine Art Grundeinkommen für die Dauer eines Jahres gewonnen hat und sich dadurch im Gegensatz zu ihr ganz in Ruhe nach einer neuen Tätigkeit umsehen kann.
Die Autorin schildert das Zusammenleben Julias mit ihrem verbitterten Vater, der ganz selbstverständlich davon ausgeht, nach dem Weggang seiner Frau nun durch die Tochter versorgt zu werden. Interessant ist die Beschreibung der Dorfgemeinschaft, in der viele Männer ihre Arbeit verloren haben, seit die letzte Fabrik geschlossen wurde. Nun sind sie arbeitslos, wenden sich dem Alkohol zu und verbringen ihre Zeit mit Glücksspielen in der Wirtschaft.
Das Buch ist in sehr schöner und ruhiger Sprache geschrieben, die Charaktere sind authentisch skizziert. Birgit Birnbacher lässt uns tief in Julias Gefühls- und Gedankenwelt eintauchen und seziert mit feiner Beobachtungsgabe die Dorfgemeinschaft. Sprachlosigkeit innerhalb der Familie ist ebenso Thema in diesem Buch wie Vorurteile und Rollenklischees. Die Beziehung Julias zu ihrem behinderten Bruder schildert die Autorin sehr eindrucksvoll und mit viel Empathie.
Das unterhaltsame Buch, das Raum lässt für eigene Gedanken, hat mir sehr gut gefallen - Leseempfehlung von mir!
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Duch andere leben?
In nüchternen Worten erzählt Birgit Birnbacher die Geschichte von Julia, die einst ihr Dorf verließ, um in der Stadt Krankenschwester zu werden. Sehr zum Unverständnis ihrer Eltern. Wer in die Stadt zieht, verrät das Dorf. Doch nun ist Julia nach vielen Jahren zurück. Sie hat im Krankenhaus einen Fehler begangen, der ihr den Job gekostet hat. Außerdem hat sie ein Problem mit der Lunge und war lange krankgeschrieben. Nun ist sie wieder gesund, aber arbeitslos. Im Dorf hat sich rein äußerlich wenig verändert. Die Fabrik hat vor kurzem geschlossen und nun ist das ganze Dorf arbeitslos. Die Mutter hat den Vater verlassen und eine neue Liebe auf Sizilien gefunden. Der Bruder, der nach einem Unfall behindert ist, lebt immer noch im Heim. Und dann ist da noch der Städter, der eigentlich nach einem Herzinfarkt eine Reha macht und nun ein Grundeinkommen für ein Jahr gewonnen hat. Ist er ein Glückspilz? Oder ist es eher von Nachteil, wenn man für sein Geld nicht arbeiten muss? Was ist ein Leben wert so ganz ohne Arbeit? Braucht der Mensch eine Arbeit, um seinem Leben Halt und Struktur zu geben? Das sind die Fragen, die sich Julia aufdrängen. Und wie ist das mit dem Frauenleben? Müssen sie ewig im Schatten ihrer Väter und Ehemänner stehen? Sind sie geboren, um für andere zu sorgen? Oder dürfen sie sich auch um sich selbst sorgen? Viele Gedanken in wenigen Worten. Nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel. Viel Raum zum Nachdenken. Auf jeden Fall Platz für 5 Sterne!
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Einatmen, ausatmen
Die Bachmannpreisträgerin und studierte Soziologin Birgit Birnbacher zeichnet in ihrem neuen Roman „Wovon wir leben“ ein feinfühliges und detailliertes Bild einer jungen Frau in der Sinnkrise – und lässt dabei präzise und realistisch noch existenzielle Fragen des (nicht) arbeitenden Menschen miteinfließen.
Julia heißt die empathische Ich-Erzählerin des Romans und sie leidet an schwerem Asthma – nach einem traumatischen Erlebnis an ihrem alten Arbeitsplatz als Krankenschwester, das ihr auch ihre Stelle kosten wird, verschlechtert sich ihr Atemvolumen und sie muss nicht nur neu lernen, tief ein- und auszuatmen, sondern auch ohne Arbeit zu leben. Physisch und psychisch angeschlagen kehrt sie zurück zu ihren Eltern ins erdrückende Dorfleben von Innergebirg – doch ihre Mutter hat Reißaus genommen und lebt jetzt bei den Zitronen in Italien, ihr Vater, ein herrischer, hypochondrischer Grantler, zwingt sie mit emotionaler Erpressung dazu, für ihn da zu sein, während Julias geistig behinderter Bruder in einem Heim gepflegt wird.
Julia wird auf den Städter Oskar treffen, der sich nach einem Herzinfarkt erholt und dem ein bedingungsloses Grundeinkommen derzeit das Leben ohne Arbeit erleichtert. Gemeinsam erholen sie sich einen Sommer lang, kommen sich näher, beobachten das bornierte Dorfleben im Wirtshaus, in dem die arbeitslos gewordenen Männer trinken und spielen, und reflektieren ihr bisheriges (Arbeits-)Leben.
Mit einer klaren, sehr starken und ausdrucksstarken Sprache widmet sich Birgit Birnbacher dem Sinn von Arbeit und der unterschätzten Anerkennung von weiblicher Care-Arbeit bis zur Erschöpfung – aber auch weitergegebenen Rollenbildern, Verpflichtungen und Erwartungen, die zu erdrücken drohen. Dabei webt sie in ihrer Geschichte subtil soziologische Studien zur Arbeit ein, auf die sie sich am Ende des Buches bezieht. Auch bildgewaltige Metaphern aus der Tierwelt spielen eine übertragene Rolle – wie ein arbeitswütiger, exotischer Vogel, eine schreiende Ziege sowie ein verendetes Arbeitspferd.
Äußerst sensibel und klug schaut Birnbacher auf das Zerbrechliche im Menschenleben und obwohl der Roman sehr schmal ist, steckt zwischen den Zeilen noch so viel mehr Weisheit zum Entdecken. Ein wunderbarer und literarisch geglückter Dorf- und Gesellschaftsroman über den Sinn und Wandel von Arbeit, Fürsorge sowie einem gelungenen, freien Leben. -
Wert des Lebens
Die österreichische Schriftstellerin und Bachmannpreisträgerin Birgit Birnbacher geht in ihrem feinfühligen Roman „Wovon wir leben“ existenziellen Fragen nach. Was sind wir, wenn wir nicht arbeiten und welche familiären Strukturen binden uns an unterbewusste Rollenmuster?
Ich-Erzählerin Julia verliert nach einem gravierenden Fehler im Krankenhaus ihre Anstellung als Krankenschwester und kehrt in ihr Heimatdorf im Innergebirg bei Salzburg zurück. Das Ereignis hat einen schweren Asthma-Schub verursacht, der ihren Körper zur Ruhe zwingt, aber kluge Gedankenspiralen anstößt. Sie hinterfragt die strengen Bilder in ihrem Elternhaus und die alteingesessenen Vorurteile der Dörfler – der Vater ist verschlossen, herrisch und störrisch; die Mutter hat immer alle Aufgaben pflichtbewusst erledigt, ist nun aber nach Italien abgehauen, um ein neues Leben zu beginnen. Gesprochen wurde in der Familie nie wirklich, aber präzise Erwartungen sowie Ängste an den anderen übertragen.
Während Julia über ihre Vergangenheit sinniert und sich tiefgreifende Fragen stellt, taucht der sympathische Städter Oskar auf – nach einem Herzinfarkt sortiert auch er sein Leben neu und kann sich aufgrund eines gewonnenen bedingungslosen Grundeinkommen für ein Jahr seine Träume ohne Arbeit erfüllen. Gemeinsam ziehen sie in ein Haus mit Ziege Elise, erledigen kleinere Renovierungsarbeiten, nähern sich an und genießen den Sommer, doch Bindungsängste hindern sie an tieferen Beziehungen. Langsam kommt Julia wieder zu Kräften und möchte einen beruflichen Neuanfang in der Stadt wagen, als der fordernde Vater einen fatalen Unfall im Wald erleidet und gepflegt werden muss. Gehen oder Bleiben?
Sehr weise, empathisch und ruhig erkundet Birgit Birnbacher nicht nur das zerrissene Innenleben der von Zweifeln durchzogenen Protagonistin, sondern auch wichtige gesellschaftliche Fragen und Strukturen. Mit feinem psychologischem Gespür und einer treffsicheren Sprache schildert sie das spießig-eingefahrene Dorfleben und setzt es in Bezug auf Julias tiefgreifende Gedanken zu ihrem Leben. Mit welchen Menschen haben wir Kontakt, aber uns nie richtig unterhalten und wie beinflussen uns diese? Wie will ich mein Leben neu gestalten? Dabei wird Birnbacher nie pathetisch oder weinerlich, sondern legt mit klaren und differenzierten Sätzen eine berührende, universelle Geschichte des Neuanfangs und Lossagens offen, die immer wieder gelesen und entdeckt werden kann.
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