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Theologen gingen bei Hinrichtungen nicht nur dem Armesünderzug vom Gefängnis zur Richtstätte voran, sondern hatten auch die Aufgabe, sich nach der Vollstreckung des Urteils in einer kurzen Ansprache an das nicht selten Hunderte, gar Tausende von Menschen zählende Publikum zu richten. Sie waren fester Bestandteil des «Theaters des Tötens». Der Standrede kam dabei eine doppelte Funktion zu. Einerseits sollte sie dem richterlichen Urteilsspruch Legitimität verschaffen, indem die Geistlichen vor den Zuschauern all die sittlichen Verfehlungen in den Biografien der Täterinnen und Täter aufspürten, die zu ihrem Abgleiten in die Kriminalität geführt hatten. Andererseits diente sie der Abschreckung, da sie den Zuschauern am Beispiel der Exekutierten die Gefahren einer unangepassten, eigensinnigen Lebensweise deutlich machen sollte. Im Zuge der von der Aufklärung ausgelösten Medienrevolution wurden die Reden in Form von handlichen Broschüren in Umlauf gebracht und etablierten sich auf dem Buchmarkt als eigenständiges Genre. Im Gegensatz etwa zu den populären Nacherzählungen berühmter Gerichtsfälle und zu Novellen mit kriminalistischem Einschlag akzentuieren sie eine genuin theologische Perspektive auf das Verbrechen. Die vorliegende Edition versammelt für den Zeitraum von 1750 bis 1850 ein umfassendes Korpus dieser bislang eher marginal behandelten Predigtgattung und macht sie so als Quelle für kulturhistorische Studien zugänglich.
About the author
ist Oberassistent am Deutschen Seminar der Universität Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Kultur- und Mediengeschichte des Justizwesens.ist Masterstudentin der Geschichte und Philosophie an der Universität Zürich. Von 2016 bis 2019 war sie Mitarbeiterin am Projekt «Standreden» am Institut für Rechtswissenschaft
der Universität Zürich.
Summary
Theologen waren ein fester Bestandteil des «Theaters des Tötens». Sie gingen bei Hinrichtungen dem Armesünderzug vom Gefängnis zur Richtstätte voran und hatten die Aufgabe, sich nach der Vollstreckung des Urteils in einer Ansprache ans Publikum zu wenden. Der Standrede kam dabei eine doppelte Funktion zu. Einerseits sollte sie dem richterlichen Urteilsspruch Legitimität verschaffen, indem die Geistlichen die sittlichen Verfehlungen in den Biografien der Täterinnen und Täter aufspürten, die zum Abgleiten in die Kriminalität geführt hatten. Andererseits diente sie der Abschreckung, da sie den Zuschauerinnen und Zuschauern die Gefahren einer unangepassten, eigensinnigen Lebensweise deutlich machen sollte.
Die vorliegende Edition versammelt für den Zeitraum von 1700 bis 1850 ein umfassendes Korpus dieser bislang eher marginal behandelten Predigtgattung und macht sie so als Quelle für kulturhistorische Studien zugänglich.