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Der Prozess der Modernisierung galt lange als eine Niedergangsgeschichte der Religion. Blickt man jedoch auf das wilhelminische Kaiserreich, so gerät diese Vorstellung schnell ins Wanken. Bürgerliche Emanzipation, Industrialisierung und Verstädterung setzten dem Bedürfnis nach Religion um 1900 kein Ende - im Gegenteil: Die Jahrhundertwende erlebte eine Renaissance religiöser Sinnsuche jenseits der Kirchen. Dasselbe gilt auch für den 1906 gegründeten Deutschen Monistenbund, der unter dem Chemiker Wilhelm Ostwald (1853-1932) zur viel beachteten Freidenkerorganisation aufstieg. Obwohl Monisten eine naturwissenschaftliche Weltanschauung verkündeten und den christlichen Schöpfungsglauben attackierten, blieben sie religiöse Sucher. Ihre Geschichte war geprägt von der kontinuierlichen Arbeit an einem neuen Verständnis von Religion und Säkularität. Ob Naturwissenschaftler, Künstler, Schriftsteller oder liberale Pastoren - sie alle fanden im Monismus eine neue geistige Heimat. Christoffer Leber zeigt anhand der Monismusbewegung auf, dass sich schon im Wilhelminismus eine Reformgesellschaft anbahnte, die wichtige Impulse für spätere Generationen setzte.
About the author
Dr. Christoffer Leber ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DFG-Forschungsgruppe »Kooperation und Konkurrenz in den Wissenschaften« an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Für seine Dissertation »Arbeit am Welträtsel. Religion und Säkularität in der Monismusbewegung um 1900« wurde er 2019 mit dem Wilhelm-Ostwald-Nachwuchspreis ausgezeichnet.
Summary
Der Prozess der Modernisierung galt lange als eine Niedergangsgeschichte der Religion. Blickt man jedoch auf das wilhelminische Kaiserreich, so gerät diese Vorstellung schnell ins Wanken. Bürgerliche Emanzipation, Industrialisierung und Verstädterung setzten dem Bedürfnis nach Religion um 1900 kein Ende – im Gegenteil: Die Jahrhundertwende erlebte eine Renaissance religiöser Sinnsuche jenseits der Kirchen. Dasselbe gilt auch für den 1906 gegründeten Deutschen Monistenbund, der unter dem Chemiker Wilhelm Ostwald (1853–1932) zur viel beachteten Freidenkerorganisation aufstieg. Obwohl Monisten eine naturwissenschaftliche Weltanschauung verkündeten und den christlichen Schöpfungsglauben attackierten, blieben sie religiöse Sucher. Ihre Geschichte war geprägt von der kontinuierlichen Arbeit an einem neuen Verständnis von Religion und Säkularität. Ob Naturwissenschaftler, Künstler, Schriftsteller oder liberale Pastoren – sie alle fanden im Monismus eine neue geistige Heimat. Christoffer Leber zeigt anhand der Monismusbewegung auf, dass sich schon im Wilhelminismus eine Reformgesellschaft anbahnte, die wichtige Impulse für spätere Generationen setzte.
Foreword
Naturwissenschaft und Religion galten lange als unversöhnliche Gegensätze. Der Deutsche Monistenbund, Hauptvertreter des Freidenkertums im Kaiserreich, knüpfte an diese Vorstellung an und präsentierte sich als radikaler Kämpfer gegen Kirche, Christentum und Orthodoxie. Er verkündete eine naturwissenschaftliche Weltanschauung, die jeglichen Transzendenzbezug ablehnte und das Christentum scharf attackierte. Die Studie zeigt, dass die Geschichte der Monisten keineswegs als eine Konfliktgeschichte zwischen Wissenschaft und Theologie zu begreifen ist, sondern als eine kontinuierliche Arbeit am Religiösen und Säkularen.