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Wer künstlerisch tätig ist, erlebt jeden Tag, dass in der Musik, der Literatur oder der Malerei die Grenzen anders gezogen sind, als sie durch Geschichte und Staatsräson vorgegeben scheinen. In besonderem Maße erleben dies die Bamberger Symphoniker, die als berühmtes, international gefragtes Reise-Orchester in jeder Spielzeit Konzerte in anderen Ländern und Kontinenten geben. Sie wissen um die Kraft der Musik als einer universellen Sprache der Menschheit, die unabhängig von politischen Grenzen verstanden wird und den Zuhörenden eine Freiheit der Empfindung schenkt, die wie eine Vorahnung derpersönlichen wirken kann. Andreas Herzau hat das Orchester auf seinen Auslandstourneen begleitet und sich eine paradoxe Aufgabe gestellt: Musik zu fotografieren, genauer: wie Musik dargeboten wird, mit welcher Leidenschaft die Musizierenden und Zuhörenden bei der Sache sind, was hinter den Kulissen geschieht und sich in den Foyers und Zuschauerreihen abspielt. Und er fängt die Atmosphäre der fremden Städte ein, in denendas Orchester gastiert. Da die Konzertreisen der letzten Spielzeit durch weite Teile Europas führten, ist der tapfer an sich selbst zweifelnde 'Alte Kontinent' zugleich Thema einer Reihe von Essays, die auf unkonventionelle Art Fragenrund um das Faszinosum Musik und ihrer kulturellen Orte nachgeht. Das geheime Zentrum bildet dabei Smetanas symphonische Dichtung «Má vlast», die der junge böhmische Chef-Dirigent Jakub Hrusa mit demOrchester oft gespielt hat und deren Titel nicht als «Mein Vaterland», sondern als «Meine Heimat» zu übersetzen ist. Denn Musik kann zwar Heimat sein - nicht aber Vaterland.
About the author
Holger Noltze, geb. 1960 war in verschiedenen Funktionen als Kulturjournalist beim Westdeutschen Rundfunk und beim Deutschlandfunk tätig. Daneben publizierte er regelmäßig Musikund Literaturkritiken in der FAZ, der NZZ oder der «Opernwelt». Seit 2005 ist er Professor für Musik und Musikjournalismus an der Universität Dortmund. Noltze ist Mitbegründer der Classiconn GmbH, die das Musikportal www.takt1.de betreibt.Andreas Herzau (1962–2024) setzte sich als Fotograf, Hochschuldozent und Autor künstlerisch und theoretisch mit Fotografie auseinander. Als engagierter Bildjournalist mit eigenständiger und oft überraschender Bildsprache erweiterte er in seinen Arbeiten die Grenzen der klassischen Reportagefotografie, durchbrach Sehgewohnheiten und hinterfragte Wahrnehmungsstereotypen. Essayistisch-narrative und analytisch abstrahierende Elemente wurden zu Bildgeschichten verknüpft, die er in Büchern, Ausstellungen und Magazinen veröffentlichte. Sein Werk wurde u.a. mit dem European-Press-Award ausgezeichnet und ist in Sammlungen wie dem Deutschen Historischen Museum vertreten. Neben der künstlerischen Arbeit publizierte er Texte und Essays über Fotografie. Sein Nachlass liegt bei der Stiftung F. C. Grundlach.