Description
Product details
Authors | Alina Bronsky |
Publisher | Kiepenheuer & Witsch |
Languages | German |
Product format | Hardback |
Released | 09.05.2019 |
EAN | 9783462051452 |
ISBN | 978-3-462-05145-2 |
No. of pages | 224 |
Dimensions | 122 mm x 195 mm x 21 mm |
Weight | 282 g |
Subjects |
Fiction
> Narrative literature
> Contemporary literature (from 1945)
Deutsche Literatur, Einwanderung, Humor, Demenz, Patchwork-Familie, Russland, Belletristik, Frauen, Familienleben, Generationenromane, Familiensagas, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Heranwachsen, Spiegel-Bestseller, Jugend, Identitätssuche, Entwurzelung, Baba Dunjas letzte Liebe, leichtlesen |
Customer reviews
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Nina
Alina Bronsky hat es nicht nur aufgrund ihrer Geschichte, sondern vor allem auch durch ihren Schreibstil geschafft, mich mit diesem Buch alles um mich herum vergessen zu lassen. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Max, dem Enkel des ruhigen Dschingis und der stets präsenten Margo. Sie leben in Deutschland in einer Flüchtlingsunterkunft, die mal ein Hotel war. Die Großmutter hat ständig Angst, dass Max bald sterben wird und desinfiziert ständig alles, ernährt ihn nur mit püriertem Gemüse und Haferschleim, geht mit zu seiner Schule und sitzt mit im Klassenraum - nicht ahnend, dass sie gerade dadurch ihrem Enkel mehr schadet als nutzt. Dann treten Nina und ihre Tochter Vera in ihr Leben und es ändert sich alles - für den Großvater, für Max, aber auch für die Großmutter. Eine eindrucksvolle Geschichte, die eine breite Skala an Gefühlen anspricht.
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Dysfunktional funktioniert auch irgendwie...
Ach, Mäxchen… als Kind kommt der Ich-Erzähler dieser Novelle in Begleitung seiner Großeltern nach Deutschland, wobei nicht nur der Großvater, sondern vor Allem auch der kleine Maxim, völlig unter der Fuchtel der bestimmten (und bestimmenden) Großmutter stehen. Sie schreibt ihrem Enkel alle möglichen Krankheiten zu, obschon es diesem auf den ersten Blick sehr gutgeht, und hält dann auch die deutschen Ärzte prompt für inkompetent als diese dem kleinen Max beste Gesundheit bescheinigen; auch Lehrkräfte werden später von ihr abgekanzelt – schlimmer: Vor Allem ihr Enkel wird von ihr ständig abgekanzelt und auch im Beisein Anderer verbal gedemütigt. Die zudem antisemitische, rassistische, sexistische Großmutter spricht allenfalls gebrochen Deutsch, während Maxim sich schnell mit und in der neuen Sprache arrangiert; ständig muss er für seine Oma dolmetschen, die ihm daraufhin stets eröffnet, er könne ja gar nicht wissen, was da gesagt wurde, weil er habe doch keine Ahnung von der Sprache, er sei dumm, er sei schwächlich…, während sie zugleich anhaltend darüber lamentiert, wie sehr sie sich doch für ihren Enkel aufopfere, dass dieser ohne sie völlig verloren sei. Abgesehen davon, dass sie ihm immerfort beteuert, er würde ohnehin nicht besonders alt werden (können). Maxim lässt alles stoisch über sich ergehen; auf seine mangelnde Gegenwehr angesprochen antwortet er später, dass diese dann doch nur endlos wäre und er den „Aufwand“ darum von vornherein scheut.
Damit sind sowohl Maxim als auch seine Großmutter ebensolche tragischen Gestalten wie der Großvater, der von der Großmutter stets als untauglicher Nichtsnutz deklassiert wird; „Der Zopf meiner Großmutter“ zeichnet kein einfaches Bild einer übergesiedelten Familie, sondern das einer dysfunktionalen Familiengemeinschaft, was auf mich als Leserin eine ganz seltsame, düstere Faszination ausübte.
Durch den Tunnelblick des Ich-Erzählers, der auch eher objektiv berichtet als dass er tatsächlich seine Gefühle direkt beschreibt, bleibt letztlich auch Einiges offen; die familiäre Symbiose mit Nina, die sich letztlich ergibt, habe ich beispielsweise nicht so recht nachvollziehen können, weil es für mich unverständlich blieb, dass Nina (nicht nur) sich so unter die Fittiche der Großmutter Maxims nehmen ließ. Da hätte ich es durchaus auch interessant gefunden, wenn noch einige der Ereignisse aus der Sicht des Großvaters oder eben auch Ninas erzählt worden wären.
Ich habe dieses Buch wirklich gerne gelesen - wobei ich nicht ausschließen wollen würde, dass da auch ein wenig Sensationsgier mitgespielt haben mag; denn so wie mit ihm umgesprungen wurde, hatte ich auch bereits damit gerechnet, dass Maxim noch zum Amokläufer werden konnte. Für mich klang die Geschichte derart unheilvoll, dass mich tatsächlich hauptsächlich interessierte, ob Max noch aus diesem ungesunden Familienkonstrukt ausbrechen können würde. -
Tragikomische Geschichte über eine ungewöhnliche Patchworkfamilie
Eine außergewöhnliche alte Frau war ja schon die Protagonistin in Alina Bronskys letztem Roman „Baba Dunjas letzte Liebe“, und eine durchtriebene Großmutter tauchte bereits in „Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche“ auf. Die Großmutter aus dem vorliegenden Buch toppt das Ganze aber noch einmal.
Gemeinsam mit Ehemann und Enkelsohn kommt sie als jüdischer Kontingentflüchtling von Russland in ein deutsches Flüchtlingswohnheim. Sie wettert gegen alles und jeden und führt zu Hause ein strenges Regiment. Der Ehemann schweigt still vor sich hin, der Enkel Max wird von der Oma so richtig klein gemacht, indem sie ihm die Rolle des debilen Dummkopfes mit geringer Lebenserwartung zuweist. Dennoch reift Max zu einem aufgeweckten und seine Oma an Schläue überbietenden Jungen heran, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Als sich der Großvater in eine junge Klavierlehrerin verliebt und diese schwängert, tritt in dem Familienverbund eine unerwartete Wendung ein, woran vor allem die Großmutter ihr Zutun hat.
Die Lektüre hat mir sehr viel Spaß bereitet. Das Buch besticht durch das Wesen der Großmutter. So widersprüchlich es auch ist – obwohl ihr eigentlich nur negative Charaktereigenschaften anhaften, hinterlässt sie doch einen liebenswerten Eindruck. Faszinierend ist auch, wie sich zum Hintergrund der Familie (was ist mit den Eltern von Max?) lange Zeit unter Rückgriff auf wenige eingestreute Informationen nur Vermutungen anstellen lassen und sich am Ende alles dann etwas klarer, wenngleich nicht vollständig geklärt, darstellt. Heraus kristallisiert sich ein trauriger Hintergrund, der aber ansatzweise begründet, weshalb die Großmutter so ist, wie sie eben ist.
Das Buch hat sicherlich das Potenzial, wie schon „Scherbenpark“ zur Schullektüre im Deutschunterricht zu werden.
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