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Lange Zeit hatte Cioran, rumänisch-französischer Aphoristiker "auf den Gipfeln der Verzweiflung", ein stets geschlossenes Heft auf seinem Tisch liegen. Nach seinem Tod 1995 fanden sich vierunddreißig dieser Hefte. Die Umschläge unterschieden sich einzig durch Nummer und Datum. Fünfzehn Jahre hindurch hat stets eines dieser Hefte griffbereit auf Ciorans Schreibtisch gelegen, es schien immer das gleiche zu sein.
Die Cahiers haben nichts von einem Tagebuch. Eher handelt es sich um Skizzen, Entwürfe. Im Dezember 1969 notiert Cioran: "Ich werde mich an diese Cahiers klammern, denn sie sind der einzige Kontakt, den ich mit dem 'Schreiben' habe. Seit Monaten habe ich nichts mehr geschrieben. Aber diese tägliche Übung hat etwas Gutes, sie erlaubt es mir, mich den Worten zu nähern und meine Obsessionen ebenso wie meine Launen in sie hineinzuschütten. Denn nichts ist abstumpfender und belangloser, als einer Idee nachzustellen." Simone Boue, Ciorans Lebensgefährtin, hat die Eintragungen abgesch rieben, teilweise gekürzt und 1997 veröffentlicht, und Verena von der Heyden-Rynsch hat eine Auswahl aus diesen Aufzeichnungen getroffen, "die teilweise wesentliche Ansätze seines Denkens darstellen und andererseits sehr persönliche anekdotische Fragmente sind, die den Menschen Cioran in seiner Komplexität und seinem nie versiegenden Humor widerspiegeln".