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Galizien, die Bukowina und die Moldau - keine andere Landschaft steht in solchem Maße für den Mythos der untergegangenen k. u. k. Monarchie. Hier lebten jahrhundertelang Deutsche, Juden, Ruthenen, Rumänen, Polen, Magyaren und Armenier. Die Landschaft der "verwischten Grenzen" (Joseph Roth) wurde zur Brücke zwischen den verschiedenen Völkern des Westens und des Ostens. Deutsche Händler, Handwerker und Bazern waren schon seit dem Mittelalter in die Welt zwischen Weichsel und Bug eingewandert. Zur Zeit der österreichischen Herrschaft ab 1772 folgten Beamte, Offiziere, Lehrer, Professoren und Unternehmer, die dem öffentlichen Leben schnell ihre Prägung gaben, obwohl ihr Anteil an der Bevölkerung gering blieb - um 1860 in Galizien ein, in der Bukowina acht Prozent. Auch als die Deutschen an Einfluß verloren, blieb ihre Sprache Mittlerin zwischen den Kulturen, und die Universitäten in Lemberg und Czernowitz entwickleten sich zu intellektuellen Zentren, die weit über Galizien hinazs strahlten und das gesamte europäische Geistesleben beeinflußten. "Galizien, Bukowina, Moldau", der zehnte und abschließende Band der "Deutschen Geschichte im Osten Europas", zeichnet erstmals ein Gesamtbild dieser einzigartigen Landschaft von den Anfängen der deutschen Besiedlung im Mittelalter bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Band schildert die politische und wirtschaftliche Geschichte, erzählt von den kulturellen und ethnischen Verwebungen und Verwerfungen, aber auch von den Literaten, die den Menschen ihrer Heimat ein immerwährendes Denkmal gesetzt haben - Karl Emil Franzos, Joseph Roth, Paul Celan und Rose Ausländer. "Die Blüte der deutschsprachigen Literatur in Galizien und in der Bukowina im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert", schrieb Gregor von Rezzori, "ist wie ein Beleg für den alten Satz, daß die Eule der Minerva sich erst in anbrechender Dämmerung zum Flug erhebt."