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Dass die Schönheit des Himmels eine optische Täuschung ist, wissen die Physiker auch dann, wenn sie sich dieser Schönheit immer wieder traumhaft ergeben. Adalbert Stifter hat Physik und Mathematik studiert, doch ist er als Dichter, Pädagoge, Maler und Zeichner in das kulturelle Gedächtnis der Welt eingegangen.
Adalbert Stifter lebte und schrieb an jener Epochenschwelle, an der das explodierende Erfahrungswissen umschlug in das Erschrecken vor der unbelebten Wüste des Kosmos. Noch vor der Formulierung des Evolutionsgesetzes durch Charles Darwin betonte Adalbert Stifter den Zusammenhang von anorganischer und organischer Natur und formulierte ein "sanftes", für alle Natur gleich gültiges Gesetz. Den Glauben an die Existenz eines Schöpfers, dem auch dieses Gesetz unterliegt, hat er trotzdem nicht aufgegeben.
Dieses Lesebuch enthält bekannte und weniger bekannte Erzählungen, welche die Mühe und die Leistung des bewussten Lebens in der Kälte der ihrer selbst unbewussten Natur beschreiben. Es enthält auch jene gewaltigen sprachlichen Naturbilder, die er in den "Winterbriefen aus Kirchschlag" (1866) oder bei der Beobachtung der Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842 gesehen und überliefert hat. Dieser Dichter war sich bewusst, "wie dünn das logische, sprachliche Parkett war, auf dem er sich bewegte" (Peter Rosei). Die Angst einzubrechen, zerstört zu werden vom Sog des Kosmos, durchzieht sein Werk von den Anfängen bis zu den schwer zugänglichen Texten des Alters.
About the author
Adalbert Stifter, geb. 1805 in Oberplan/Böhmerwald), war der Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers. Nach der Gymnasiumszeit im Benediktinerstift Kremsmünster studierte er ab 1826 die Rechte in Wien, ohne aber eine Schlußprüfung zu absolvieren. In den 1830er Jahren bewarb er sich mehrmals erfolglos um Anstellungen als Lehrer und verdiente dann seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer. Nachdem ihm 1840 die Veröffentlichung der Erzählungen 'Der Condor' und 'Feldblumen' erste Erfolge gebracht hatte, lebte er bis 1850 als freier Schriftsteller. Nach den Märzunruhen von 1848 in Wien zog sich Stifter nach Linz zurück, wurde zum Schulrat ernannt, 1853 von der "Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst und historischen Denkmale" zum Konservator für Oberösterreich bestellt.§1865 trat Stifter, wohl seit 1863 unheilbar erkrankt, durch lästige Verwaltungsarbeit und finanzielle Bedrängnis verbittert, in den Ruhestand. Nach einem Selbstmordversuch starb er 1868 in Linz.
Wolfgang Frühwald, geboren 1935, ist Professor emeritus für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der LMU München. Von 1999 bis 2007 war er als erster Geisteswissenschaftler Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung.
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