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Ein Jahrhundertbuch der italienischen Literatur
Italien am Vorabend der nationalen Einigung: zerklüftet in seinem politischen Wollen, hin- und hergerissen zwischen Tradition und Erneuerung, von Freunden verraten, von Feinden "befreit", doch beseelt von der Hoffnung auf ein besseres Morgen, auf Unabhängigkeit, Frieden, Eintracht. Nievos "Bekenntnisse eines Italieners" sind ein ergreifendes Denkmal jener einschneidenden Epoche, ihrer Grausamkeit wie ihrer Grandezza.
Es müsse sich alles ändern, damit alles beim Alten bleibe, heißt es in einem anderen großen Roman der italienischen Literatur. Die "Bekenntnisse eines Italieners" als Vorgeschichte zu Lampedusas "Gattopardo" sind wohl der sprechendste Beleg für dieses Paradoxon. Sie zeigen an zahllosen Beispielen, was sich zu Napoleons Zeiten und in der darauffolgenden Epoche des Risorgimento alles ändern mußte, aber auch, wie vieles durch Jahre und Jahrzehnte des Wandels hindurch Bestand hatte, bis letztlich aus einem kunterbunten Mosaik souveräner Stadtrepubliken, altdynastischer Königreiche und Herzogtümer, dem Territorium des Kirchenstaats sowie Ländereien, in denen fremde Mächte herrschten, ein unabhängiges staatspolitisches Gebilde mit einheitlicher Verfassung werden konnte.
Ippolito Nievo hat ein epochales historisches Tableau geschaffen. Was besonders anrührt, sind die Einzelschicksale, wie sie sich in ähnlicher Dramatik millionenfach wiederholt haben: die "kleine Geschichte" innerhalb der großen. Nievo läßt seinen Romanhelden Carlo Altoviti an historischen Schauplätzen Venedig, Neapel, Mailand für die Republik kämpfen. Bei aller idealistischen Grundhaltung werden aber auch die Verfehlungen und Irrtümer der Republikaner geschildert, ebenso die intimen Scharmützel des Helden. Vor allem die für damalige Verhältnisse ungeheuer freie Liebesbeziehung zu Pisana eine der lebendigsten, selbstbewußtesten Frauenfiguren der italienischen Literatur sorgt für stete Unruhe in Carlos Dasein. Das mit den phantastischsten Abenteuern durchsetzte Lebenszeugnis liest sich nicht nur spannungsreich wie ein Mantel-und-Degen-Roman, durch den humorvollen Erzählton ist es auch hochamüsant.
About the author
Ippolito Nievo (1831-1861) ist neben Alessandro Manzoni der bedeutendste italienische Romancier des 19. Jahrhunderts. An der Seite Garibaldis eng in den Unabhängigkeitskampf seiner Heimat eingebunden, fand Nievo nach der ruhmreichen Befreiung Siziliens bei einem Schiffbruch den frühen Tod.
Barbara Kleiner, promovierte Germanistin und Romanistin aus München, Jahrgang 1952. Sie erhält den Übersetzerpreis der Kulturstiftung NRW für ihre Übertragung von Ippolito Nievos Werk "Bekenntnisse eines Italieners" (Manesse Verlag, 2005) aus dem Italienischen ins Deutsche. Gleichzeitig wird das Gesamtwerk der Übersetzerin ausgezeichnet. Die Kunststiftung NRW verleiht den renommierten Preis, der mit 25.000 zu den höchstdotierten Auszeichnungen für literarische Übersetzer im deutschsprachigen Raum gehört, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen.
Report
"Nievos Bekenntnisse eines Italieners in vorzüglicher Neuübersetzung ... Dieses Buch ist alles, was man von einem historischen Roman erwarten kann, und noch viel mehr, ein Epochenporträt, ein Buch der Abenteuer, eine Liebesgeschichte, ein Erziehungsroman, vor allem aber eine ebenso unterhaltsame wie detaillierte Darstellung italienischer Politik und Historie." (Süddeutsche Zeitung)"
Es dauert nur wenige Augenblicke, und man ist dem greisen Carlo Altoviti verfallen. Schelmisches Gelächter durchdringt die Satzgirlanden ... Barbara Kleiner arbeitet Nievos sprachliche Lebhaftigkeit und seinen spitzen Witz stärker heraus; sie stellt ihr komödiantisches Talent unter Beweis und gibt dem achtzigjährigen Erzähler eine unverwechselbare Stimme ... Wer der Entstehung Italiens auf die Spur kommen will, sollte sich in ihre Hände begeben." (Neue Zürcher Zeitung)