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Bei inzwischen mehreren Hundert Diagnosen für psychische Störungen sind die internationalen Klassifikationssysteme DSM und ICD mittlerweile angekommen - ist das noch durch irgendetwas gerechtfertigt? Und: Wofür sind Diagnosen bei psychischen Beeinträchtigungen überhaupt sinnvoll? Tom Levold und Hans Lieb suchen im Gespräch nach Antworten. Gerade zu Beginn einer Psychotherapie kann eine standardisierte Diagnostik mit dem Erkennen von Symptomen und der Nennung einer Diagnose hilfreich sein, insbesondere für die Psychotherapeuten selbst. Das gibt ihnen Sicherheit. Doch mit dem Fortschreiten der Therapie ist es ratsam, sich von den allzu einengenden Schablonen heutiger Diagnosen zu distanzieren und den Blick zu weiten, um den Klienten in seiner menschlichen Tiefe besser zu verstehen. Tom Levold und Hans Lieb stehen der gängigen standardisierten Diagnostik mit Vorbehalten gegenüber, zumal so getan werde, als existierten psychische Erkrankungen »für sich« irgendwo. Das tun sie aber nicht, denn die Problemlagen der Klienten sind viel komplexer, als die Diagnosen es suggerieren, sodass die Vergabe einer Diagnose nichts anderes als eine Fremdbeobachtung ist, die oft wenig mit dem Erleben der Klienten zu tun hat. Zwar stehen Diagnosen stets im Raum, wenn es um psychische Erkrankungen geht, doch sie sollten mit kritischer Distanz reflektiert werden. »Wir können nicht nicht diagnostizieren«, meint Hans Lieb. »Ja«, ergänzt Tom Levold, »aber wir dürfen menschlichen 'Sinn' nicht medizinisieren«.
About the author
Tom Levold, Studium der Sozialwissenschaften, Psychologie und Völkerkunde; Lehrtherapeut, Lehrender Supervisor und Lehrender Coach (SG); Mitbegründer der Systemischen Gesellschaft; Systemischer Therapeut seit 1980, seit 1989 Tätigkeit in freier Praxis als Paartherapeut, Supervisor, Coach und Organisationsberater. Über 25-jährige Weiterbildungstätigkeit, zahlreiche Veröffentlichungen zur Systemischen Theorie und Praxis. Mitherausgeber von Kontext , Gründer und Herausgeber von systemagazin Online-Journal für systemische Entwicklungen.
Dipl.-Psych. Dr. phil. Hans Lieb ist Psychotherapeut mit eigener Praxis in Edenkoben. Dazu arbeitet er als Lehrtherapeut und Lehrsupervisor in Systemischer Therapie und Verhaltenstherapie.
Uwe Britten, Jahrgang 1961, studierte nach einer kaufmännischen Ausbildung Germanistik und Philosophie. Er arbeitet heute als Lektor und ist Autor mehrerer Bücher, die sich u. a. mit der Obdachlosigkeit Jugendlicher und dem Jugendstrafvollzug auseinander setzen. Als Mitglied des entwicklungspolitischen Kinderhilfswerks terre des hommes beschäftigt er sich seit 15 Jahren mit den Themen Kindersoldaten und Kinderflüchtlinge.