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Ist der gute alte Striptease tot? Und hat sich sein Publikum auch gleich in Staub aufgelöst, vor den Fernseher verkrochen? Oder ist er nur für die gestorben, die sich ausziehen sollen? Dann existiert er noch, und an Entblößungswünschen ist unsere Zeit ja nicht arm; nur wie kommt das eine zum anderen? Durch Sprache, was sonst - der Ansager einer Stripteasenummer betritt die Bühne. Er verspricht den letzten klassischen Strip auf deutschem Boden: Andrea (oder auch Andreas) werde am Ende nur noch ein rotes Bändchen tragen, wodurch eine unwiderrufliche Aufforderung an das Publikum (an den Leser) ergeht, sich dieses Bändchen als entfernt vorzustellen, und das nicht nur für den Augenblick, sondern für alle Zukunft, was man als Tortur nicht unterschätzen sollte. Aber Andrea (oder Andreas) scheint sich zu verspäten, und dem Ansager bleiben nur Sätze wie der mit dem Bändchen; er muß weiter und weiter reden und die Hoffnung verbreiten, daß Andrea (oder Andreas) noch kommt, obwohl der Mensch, um den es in Kirchhoffs Monolog geht, doch von Anfang an da ist - vielleicht zu angezogen, um sichtbar zu sein, vielleicht aber auch zu nackt ...
About the author
Bodo Kirchhoff, 1948 geboren, lebt in Frankfurt am Main und am Gardasee. Er hat viele renommierte Preise gewonnen, u.a. den Kritikerpreis für Literatur, den Preis der LiteraTourNord und die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz.2016 ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis für den Roman "Widerfahrnis".